Viele Buchhändler*innen kaufen gern viel ein, und so füllt sich das Lager Buch für Buch. Wie kann der Lagerberstand optimiert werden?
Jörg Winter: Bei der Abwägung, was ans Lager genommen werden soll, gibt es nur eine einzige relevante Frage: Habe ich für dieses Buch einen Käufer? Wenn das als Einstiegsfrage genommen wird und man sich stringent daran orientiert, dürfte es keine Lagerprobleme geben. Die Frage ist nicht, ob es ein gutes Buch ist, sondern an welche Kundin man denkt. Wenn ich die Buchhandlungen aus meinen Erfa-Gruppen miteinander vergleich, stelle ich fest, dass diejenigen eine gute Entwicklung haben, die sich genau diese Einstiegsfrage stellen. Die Buchhändler*innen lassen sich nicht von ihrem persönlichen Geschmack leiten, sondern durch diese Kernfrage. Es ist letztlich die eigene Haltung, die sich in einer Kennziffer wie dem Lagerbestand niederschlägt.
Veit Hoffmann: Viele Kolleg*innen verstehen sich als Literaturvermittler*innen. Das muss nicht falsch sein, aber man ist eben auch Unternehmer oder Unternehmerin. Diese beiden Punkte müssen zusammengebracht werden. Es nützt mir nichts, wenn ich ein Sortiment habe, das mir persönlich gefällt, das ich aber nicht verkauft bekomme. Kenne ich meine Kund*innen und sie kennen mich, dann glauben sie mir auch, wenn ich ihnen sage, dass das ein wunderbares Buch ist, und kaufen es.
Was lässt sich tun, um den Wert des Durchschnittsbons zu erhöhen?
Hoffmann: Wir versetzen uns bei den Preisen zu selten in unsere Kund*innen hinein. Die Kolleg*innen haben beim Verkauf oft ihr eigenes Portemonnaie und nicht das der Kund*innen im Blick, von denen schätzungsweise 80 Prozent ein höheres Einkommen haben als die Buchhändler*innen. Aus der eigenen Warte betrachtet mag ein Buch vielleicht teuer sein, aber aus der Kund*innenperspektive ist es das nicht. Insofern kann man sich vorwagen. Es wird immer noch gefragt: "Möchten Sie ein Taschenbuch oder lieber ein gebundenes?" Ich frage mich, wie dieser Satz überhaupt noch jemandem über die Lippen kommen kann.