Weniger "starke Leser"
In Italien verzeichnet der Verlegerverband durch die Corona-Krise einen Rückgang insbesondere der "Starken Leser" um 20%. Zudem kaufte die Zielgruppe 2020 erheblich weniger. Ergebnisse einer Umfrage.
In Italien verzeichnet der Verlegerverband durch die Corona-Krise einen Rückgang insbesondere der "Starken Leser" um 20%. Zudem kaufte die Zielgruppe 2020 erheblich weniger. Ergebnisse einer Umfrage.
Im Mai 2020 sank der Anteil der italienischen Leser (15-74 Jahre), die angaben, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens ein Buch gelesen zu haben (einschließlich E-Books und Hörbücher), im Vergleich zum März des Vorjahres um 15 Prozentpunkte auf 58 %. Der Wert sinkt um weitere acht Prozentpunkte (50%), wenn nur die Messwerte von März und April 2020 berücksichtigt werden.
"Das Bild des Lesens in unserem Land ist alarmierend", erklärt der Präsident des italienischen Verlegerverbands AIE, Ricardo Franco Levi, der mit dem Centro per il libro e la lettura in Zusammenarbeit mit Pepe Research die Umfrage "La lettura nei mesi dell’emergenza sanitaria" (wörtlich: "Lesen in den Monaten des Geusndheitsnotfalls") durchgeführt hatte. Er forderte von Regierung und Parlament eine Unterstützung der öffentlichen und privaten Nachfrage nach Büchern, die Bekämpfung der Bildungsarmut, direkte Hilfen für kleine Verlage und Buchhändler sowie für Messen, Festivals und Ausstellungen.
Schließlich zeigten die im Mai 2020 ermittelten Daten, dass die Zahl der Leser, die in den letzten 12 Monaten Bücher gekauft haben, stark zurückgegangen sei – von 63% im Jahr 2019 auf 35% im Jahr 2020 – und dass der Buchmarkt durch die Zurückhaltung der "forti lettori" („starken Leser“) ernsthafte Rückgänge gewärtigen müsse. Denn die Zahl der Käufer, die sich als starke Leser bezeichnen, sank von 4,4 Millionen auf 3,5 Millionen, was einem Rückgang von 20% entspricht. Nach den Angaben von Mai 2020 hatten "starke Leser" in den letzten 12 Monaten 30,2 Millionen Exemplare an Büchern gekauft, was einem Rückgang von 45% gegenüber Ende 2019 (51,4 Millionen Exemplare) entspricht.
"Die Zahlen der Umfrage des Verlegerverbands bestätigen die kritischen Punkte für die Lese- und Lieferkette des Buches, die für das kulturelle und wirtschaftliche Wachstum des Landes unverzichtbar sind", erklärte Paola Passarelli, Generaldirektion für Bibliotheken und Urheberrecht des Ministeriums für Kulturelle und touristische Aktivitäten. Die Regierung sei sich dessen bewusst und habe deshalb auf Anfrage etwa den Fonds für den Kauf von Büchern durch öffentliche Bibliotheken und für eine "Carta della Cultura" für bedürftige Familien bereitgestellt.
Dass die Italiener das Lesen aufgeben, sei ein gesellschaftliches Phänomen, das auf allen Ebenen angegangen werden müsse, erklärte der Präsident des Zentrums für Bücher und Lesen, Diego Marani. Es sei ein Trend, der bereits vor der Pandemie bestanden habe und dem man Maßnahmen entgegensetzen müssen, die das Verhalten der Gesellschaft insgesamt beeinflussen. "Es reicht nicht mehr aus, nur junge Menschen und Schulen anzusprechen. Familien, Unternehmen und Institutionen auf allen Ebenen müssen einbezogen werden, auch mit einer Aufwertung des geschriebenen Worts in Vorstellungsgesprächen, Prüfungstests und öffentlichen Wettbewerben", so Marani.
Der Untersuchung zufolge widmen Italiener dem Lesen eines Buchs durchschnittlich weniger als eine Stunde pro Tag, wobei die Werte im vergangenen Jahr gesunken sind. Dagegen nehmen sie sich für Fernsehen, Telefon, WhatsApp und soziale Netzwerke im Durchschnitt mehr als 60 Minuten Zeit mit steigender Tendenz. Fast die Hälfte derjenigen, die während des Lockdown nicht gelesen haben (47%), gab "Zeitmangel" als Grund an, 35% nannten fehlende Räumlichkeiten im Haus, wo man sich konzentrieren kann, 33% die Sorgen um die Pandemie, 32% hatten Bücherlektüre durch das Erfassen von Nachrichten ersetzt.
In den kommenden Monaten soll geprüft werden, ob die Buchhandlungen den im Laufe der Monate verlorenen Boden wieder wettmachen können. In Italien griffen verstärkt Leser zu E-Books und Hörer zu Hörbüchern – 53% zu gedruckten Büchern im Jahr 2020 (69% im Vorjahr), 31% zu digitalem Lesestoff.