Einzelhandel

Wachstum auf dem Papier – Flaute im Alltag

3. August 2022
Redaktion Börsenblatt

Nominell steigen die Umsätze der Konsumgüter- und Einzelhandelsbranchen. Doch der Handel steht mächtig unter Druck. Wo genau die Probleme liegen, hat das IFH Köln unter die Lupe genommen.

Material und Energie fehlen, Kosten steigen

Lieferengpässe, Preissteigerungen, Energieknappheit: Die Herausforderungen für die Konsumgütermärkte und den Einzelhandel sind im Angesicht von Coronapandemie und Ukrainekrise größer denn je. Das IFH Köln hat sich in Zusammenarbeit mit der BBE Handelsberatung den Status quo und die voraussichtliche Entwicklung 2022/2023 angeschaut.

Aktuell steht zumindest nominell noch ein Umsatzwachstum im Raum. Das Plus ist vor allem preisgetrieben: Bis 2023 sei trotz Nachholeffekten einiger Branchen insgesamt ein eher schwaches Wachstum zu erwarten. Die einzelnen Konsumgütermärkte zeigen dabei stark unterschiedliche Konjunkturen, so die Forschenden.

Konsumflaute als Risiko

Trotz nominal steigender Umsätze steht der Handel durch branchenübergreifende Preissteigerungen und Konsumzurückhaltung stark unter Druck.

„Die deutschen Konsumgütermärkte haben 2021 trotz Lockdowns in Summe profitiert und realisieren nominale Wachstumsraten zwischen -0,1 Prozent und 6,1 Prozent gegenüber 2020. Dabei konnten jedoch nicht alle Branchen das Umsatzniveau von 2019 wieder erreichen. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres 2022 beobachten wir teilweise hohe Umsatzzuwächse bei den institutionellen Fachhandelszweigen gegenüber den entsprechenden Vorjahresmonaten, vor allem im Bereich Nonfood“, so Susanne Eichholz-Klein, Bereichsleiterin Market Insights und Mitglied der Geschäftsleitung am IFH Köln.

So lag im Mai 2022 der Umsatzzuwachs des Nonfoodfachhandels gegenüber den Vergleichsmonaten 2021 bei 25,2 Prozent, gegenüber 2019 bei einem nominalen Umsatzplus von 6,5 Prozent. Aber: Angesichts deutlicher Preissteigerungen bedeutet das Umsatzplus nur geringe reale Umsatzzuwächse von unter einem Prozent – andere Analysten sehen die Wirtschaft inflationsbereinigt bereits auf Schrumpfkurs. So meldete destatis für Juni einen eingebrochenen Einzelhandelsumsatz, der sich um 1,6 Prozent unter Vormonatsniveau bewegte.

Auf Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten herrscht Verunsicherung, verzichtbarer Konsum wird stark reduziert, größere Investitionen werden aufgeschoben. Das Marktumfeld für den deutschen Einzelhandel bleibt damit trotz steigender Umsätze herausfordernd.

Johannes Berentzen, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung

Gespart wird bei Lebensmitteln und großen Investitionen

Vor allem die von den Konsumenten wahrgenommenen Preiserhöhungen führen laut IFH Köln zu Sparverhalten und strategischem Einsatz von Haushaltsbudgets, insbesondere im Bereich Lebensmittel.

„Über alle Branchen hinweg dominieren Preissteigerungen und Lieferengpässe das Tagesgeschehen. Auf Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten herrscht Verunsicherung, verzichtbarer Konsum wird stark reduziert, größere Investitionen werden aufgeschoben. Das Marktumfeld für den deutschen Einzelhandel bleibt damit trotz steigender Umsätze herausfordernd und die Nachfrage nach spezialisierter Beratung hoch“, prognostiziert Johannes Berentzen, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung.

Trübe Perspektive für 2023

Die weitere Entwicklung der Konsumgüterbranchen sei aktuell von großen Unsicherheiten geprägt:

  • Die Prognose für das nächste Jahr 2023 geht in Summe für alle Handelsbranchen von einem Szenariokorridor zwischen 1,0 Prozent und 2,5 Prozent Wachstum aus.
  • Das liegt trotz erwarteter weiterer Preiserhöhungen nominal unter den langjährigen Wachstumsraten
  • Das Ergebnis bringe bei einem Teil der Branchen reale Umsatzverluste und bei den übrigen Branchen reale Umsatzzuwächse – wenn auch im Promillebereich – mit sich.

Die höchsten Wachstumsraten können nach den Szenarioberechnungen des IFH Köln vor allem die Fashionbranchen und die Märkte rund um Freizeit/Hobby erwarten – vor allem aufgrund von Nachholeffekten.