Lesemotive in der Leipziger Buchhandlung Ludwig

"Viele Bücher verkaufen sich quasi von selbst"

25. März 2025
Sabine Cronau

Die Buchhandlung Ludwig im Leipziger Hauptbahnhof sortiert ihre Aktionstische nach Lesemotiven. Hat sich das System bewährt? Und gibt es messbare Umsatzeffekte? Antworten von Filialleiterin Heike Lobin und Mitarbeiterin Stephanie Schreiber. Kleiner Tipp: Zur Messe einfach mal vorbeischauen.

Heike Lobin und Stephanie Schreiber stehen vor einem Bücherregal

Heike Lobin (l.) und Stephanie Schreiber

Unser Umsatz bleibt  stabil, wir sind sehr zufrieden – was ich auf den Einsatz der Lesemotive zurückführe.

Heike Lobin

Seit 2023 arbeitet die Buchhandlung Ludwig mit den Lesemotiven. Ihre wichtigste Erkenntnis?

Stephanie Schreiber: Wenn man die Arbeit mit den Lesemotiven konsequent durchzieht, drehen sich die präsentierten Titel deutlich schneller. Die Kund:innen fragen auch seltener nach Beratung, viele Bücher verkaufen sich quasi von selbst.

Heike Lobin: Gemeinsam mit MVB und Vertriebsberaterin Stephanie Lange haben wir 2023 zunächst mit der Belletristik begonnen. 2024 wurden die Lesemotive dann auf Ratgeber und Reisebücher ausgeweitet, 2025 kommen nun noch die Sachbücher hinzu. Wer möchte, kann sich das zur Leipziger Buchmesse persönlich bei uns im Laden anschauen. Wir stehen gerne für Gespräche zur Verfügung. Schon in den Vorjahren haben uns viele Kolleg:innen besucht.

Stephanie Schreiber: Und alle, die Angst davor haben, dass die Arbeit mit den Lesemotiven viel Zeit kostet, kann ich an dieser Stelle schon mal beruhigen: Man bekommt sehr schnell ein Gefühl dafür, welche Bücher gut zueinander passen, welche Lesemotive in den einzelnen Segmenten am wichtigsten sind und zu welcher Jahreszeit sie sich gut verkaufen. In der Belletristik dürften die meisten Buchhandlungen ihre Aktionstische schon unbewusst richtig kombinieren. Aber gezielt damit zu arbeiten – das sorgt für deutlich bessere Ergebnisse.  

Belletristik-Präsentation in der Buchhandlung Ludwig

Aktueller Aktionstisch zur Belletristik - mit dem Lesemotiv Entspannen.

Sind mit dem Einsatz der Lesemotive bei Ludwig signifikante Umsatzsteigerungen verbunden?

Heike Lobin: Das lässt sich, ähnlich wie im Marketing, schwer messen. Aber: Unser Umsatz bleibt  stabil, wir sind sehr zufrieden – was ich auf den Einsatz der Lesemotive zurückführe.

Stephanie Schreiber: Wir haben ja direkt nach der Corona-Krise mit den Lesemotiven begonnen – damals gab es ohnehin eine Art Neustart im Handel. Deshalb lässt sich der Umsatzeffekt in der Tat schwer messen. Was ich aber sagen kann: Wenn wir den Abgleich mit den Lesemotiven bei unseren Präsentationstischen ab und an mal etwas schleifen lassen, dann merken wir das sehr schnell an den Verkaufszahlen.

Vieles sortiert man schon instinktiv richtig ein, aber je trennschärfer, desto besser.

Stephanie Schreiber

Belletristik oder Ratgeber – in welcher Warengruppe, in welchem Untersegment hat das Prinzip bislang am besten funktioniert?

Stephanie Schreiber: Sehr auffällig ist die Entwicklung im Reisesegment. Hier sind die Lesemotive Entdecken und Orientieren am wichtigsten. Das Bedürfnis nach Orientierung wird von den klassischen Reiseführern bedient, das Motiv Entdecken steht dagegen für Reihen wie „Glücksorte“ aus dem Droste Verlag oder „Eskapaden“ von DuMont. Trennt man die Bücher bei der Präsentation klar nach diesen Lesemotiven, dann verkaufen sich die Titel auf beiden Thementischen wesentlich besser als vorher – auch wenn dieselbe Ware ausliegt. Das fanden wir sehr spannend. Kund:innen, die das eine suchen, suchen eben nicht unbedingt das andere.

Heike Lobin: Im Krimi-Segment ist das ähnlich. Gerade hier sind die Lesemotive leicht voneinander abzugrenzen: Harte Thriller stehen für Nervenkitzel, Krimis mit klassischer Urlaubskulisse für Entspannung. Die meisten Buchhandlungen achten allerdings von selbst darauf, die passenden Bücher gemeinsam zu präsentieren und nicht alles unter Krimi zu bündeln.

Ludwig-Präsentation im Reisesegment (2024)

Aktionstisch mit klassischen Reiseführern

Klassische Reiseführer: Aktionstisch zum Lesemotiv Orientieren

Aktionstisch mit Glücksreiseführern

Reiseglück: Aktionstisch zum Lesemotiv Entdecken

Zur Leipziger Buchmesse holen Sie die dritte Warengruppe ins Boot, das Sachbuch. Welches Lesemotiv steht hier im Fokus?

Stephanie Schreiber: Im Sachbuch gibt es drei große Motive, die bei uns herausstechen und sich auch gut voneinander abgrenzen lassen: Auseinandersetzen, Entdecken und Verstehen. Auch hier gilt: Vieles sortiert man schon instinktiv richtig ein, aber je trennschärfer, desto besser.

Heike Lobin: Für alle Kolleg:innen, die sich unsere Sachbuchpräsentation anschauen wollen: Der neugestaltete Bereich befindet sich auf der rechten Seite in der Buchhandlung und ist mit Lesemotive-Plakaten gekennzeichnet. Weitere Informationen dazu hat MVB auf der Website zu den Lesemotiven zusammengestellt.

Aktuelle Sachbuch-Präsentation in der Buchhandlung Ludwig

Aktionstisch  zum Thema Geschichte

Lesemotiv Verstehen: Aktionstisch zum Thema Geschichte

Sachbücher zum Lesemotiv Auseinandersetzen

Lesemotiv Auseinandersetzen: Der Aktionstisch zum Zeitgeschehen

Präsentationstipps fürs Sachbuch-Segment

  • Am Markt hat sich in den vergangenen Monaten die Warengruppe Politik/Gesellschaft/Wirtschaft mit einem Anteil von fast 50 Prozent im Sachbuchsegment durchgesetzt. 
  • Dieser Bereich ist von der Bestseller-Liste dominiert; die Toptitel weisen eine enorme Umsatzbedeutung auf, die sich in den vergangenen Monaten noch einmal steigern konnte.
  • Das vorherrschende Lesemotiv ist hier Auseinandersetzen, mit einem Umsatzanteil von 42 Prozent.
  • Wichtig für die Warenpräsentation: Toptitel deutlich ausweisen und weitere Auseinandersetzen-Titel auf dem Aktionstisch üppig präsentieren - für bessere Orientierung und Entdeckungen jenseits der Bestseller.

Hat sich Ihr Team an die Logik hinter den Lesemotiven gewöhnt – oder war das durchaus ein mühsamer Prozess?

Heike Lobin: Wir haben von Anfang an das ganze Ludwig-Team ins Boot geholt und geschult, inklusive der vier Auszubildenden. 

Stephanie Schreiber: Vor allem den Azubis macht die Arbeit mit den Lesemotiven großen Spaß.

Arbeiten Sie im gesamten Laden mit den Lesemotiven?

Stephanie Schreiber: Die Tische in der Laufzone haben wir komplett auf die Lesemotive umgestellt…

Heike Lobin: …in den Regalen wird die Anordnung durch weitere Unterteilungen einfach zu unübersichtlich. Da setzen wir auf die klassische Sortierung nach Themenfeldern. Wir sind ja ein recht großes Team und müssen Titel gut finden können.

Die Buchhandlung Ludwig gehört zur Unternehmensgruppe Dr. Eckert. Ist eine Ausweitung auf andere Bahnhofsbuchhandlungen unter dem Eckert-Dach geplant?

Stephanie Schreiber: In der gesamten Gruppe mit den Lesemotiven zu arbeiten, wäre sicher interessant, aber dafür fehlt es in den meisten Läden an Platz und Personal.

Heike Lobin: Die Leipziger Buchhandlung Ludwig ist ja nur ein kleiner Teil der Unternehmensgruppe Dr.Eckert und neben den Filialen in Wilhelmshaven und Köln die einzige größere Sortimentsfläche. Bei den meisten Eckert-Geschäften stehen Convenience, Tabakwaren und Pressegeschäft im Mittelpunkt, ergänzt um ein kleines Buchangebot, das von der Zentrale bestückt wird. Von daher ist das Projekt vorläufig auf Leipzig beschränkt.

Für alle, die mehr wissen wollen:

  • Während der Leipziger Buchmesse stehen Heike Lobin und Stephanie Schreiber sowie das gesamte Team der Buchhandlung Ludwig gerne für Fragen rund um die Lesemotive zur Verfügung.
  • Das Projekt im Überblick: www.mvb-online.de/ludwig
  • Aufschlussreich ist auch eine Veranstaltung Anfang Juni beim Jubiläumskongress des Börsenvereins in Berlin: „Die Individualisierung der Zielgruppen“, mit Vertriebsberaterin Stephanie Lange, Cirk Sören Ott (Geschäftsführer bei ShopperExpress) und Melanie Michelbrink (Gesamtleitung Marketing und Vertrieb im Reclam Verlag). Termin: 5. Juni, 13 bis 13.45 Uhr, mehr zur Veranstaltung hier, mehr zum gesamten Kongressprogramm hier.