Buchhandel im Lockdown

"Uns irritieren einige von Zuliefererseite getroffene Maßnahmen sehr"

12. Januar 2021
Redaktion Börsenblatt

Die Buchhandlung Beckmann in Werne streckt sich seit Monaten nach der Decke, um die Wünsche ihrer Kund*innen zu erfüllen. Voraussetzung dafür, dass dies gelingt, sei auch die schnelle und zuverlässige Belieferung durch die Barsortimente, so Geschäftsführer Hubertus Waterhues. Kursänderungen der Zwischenbuchhändler gerade jetzt kann er nicht nachvollziehen. MEINUNG.

Im März 2020 war es soweit: Deutschland ging in den ersten Lockdown. Das öffentliche Leben ruhte; die Menschen blieben zu Hause, Geschäfte und Gastronomie waren geschlossen, kulturelle Veranstaltungen wurden abgesagt, Abstand war angesagt. In dieser Situation haben wir auf Lieferservice gesetzt; von einem Tag auf den anderen haben wir jeden Buchwunsch unserer Kunden an die von ihnen angegebene Adresse geliefert. Unser Onlineshop funktionierte rund um die Uhr, Bestellungen kamen aber auch per Facebook, per FB-Messenger, per WhatsApp, per Fax, per E-Mail, per durch den Türschlitz geschobener Zettel und (vor allem) per Telefon. In der gesamten Zeit des ersten Lockdowns waren wir während der normalen Ladenöffnungszeiten für unsere Kunden telefonisch erreichbar, so dass Sie auch bei größeren Problemen und in schwierigen Situationen auf unsere Beratung und Unterstützung nicht verzichten mussten.

In dieser Zeit haben wir unsere Präsenz in den Sozialen Netzwerken, in der Lokalpresse und im regionalen Radio deutlich erhöht, wodurch unsere Kunden trotz des Lockdowns einen „persönlichen“ Kontakt zu uns beibehalten konnten, sie fühlten sich über Abläufe in der Buchhandlung gut unterrichtet und – soweit möglich – auch in (Entscheidungs-)Prozesse eingebunden.

Schon ganz am Anfang des Lockdowns haben wir die „Book Supporters Society Werne“ aus der Taufe gehoben. Die Mitglieder dieses lockeren Zusammenschlusses erklärten sich bereit, monatlich einen Büchergutschein für 25 Euro, 50 Euro, 100 Euro oder über einen frei gewählten Betrag zu erwerben, wobei die Einlösung dieser Gutscheine frühestens nach Beendigung des Lockdowns beginnen sollte. In der Spitze hatte diese Society über 50 Mitglieder, noch heute erwerben einige Kunden monatlich ihren Gutschein und einige Mitglieder verzichten freiwillig und bewusst bis heute auf die Einlösung ihrer Guthaben.

Nach Beendigung des ersten Lockdowns haben wir unsere Buchhandlung wieder zu den althergebrachten Öffnungszeiten geöffnet – ohne irgendwelche zeitlichen Abstriche! Allerdings haben wir Regeln gesetzt, die so gefasst waren, dass sie vom ersten Tag der Wiederöffnung bis zum 16. Dezember, dem Start des 2. Lockdowns, unverändert gegolten haben. Wir haben unseren Laden coronagerecht umgebaut. Wir haben ganze Abteilungen verschoben, einen Spuckschutz im Kassenbereich installiert, Laufwege festgelegt, an den Bibliografierplätzen jeweils einen zweiten (Kunden-)Monitor installiert, Desinfektionsmittelspender aufgestellt, unsere „Tulpenampel“, die die maximale Kundenanzahl im Laden auf sehr charmante Weise regelte, aufgestellt, einen speziellen Corona-Newsletter für bestimmte Zielgruppen eingerichtet …

Und dann tauchte der „Kleine Bär“ auf. Einer Idee unserer Kinder- und Jugendbuchabteilungsleiterin entsprang dieser sympathische kleine Kerl, ein Kuscheltier, ein Stoffbär von ca. 50 cm Leibesgröße, der viele Abenteuer in unserer Buchhandlung und rund ums Buch erlebte und den Kindern im großen Kinderbuchschaufenster jede Woche ein neues Thema, ein neues Abenteuer präsentierte. Durch den ganzen Advent konnte jeden Tag ein neues Bild mit den unterschiedlichen Erlebnissen des „Kleinen Bären“ bei Bücher Beckmann im Schaufenster präsentiert und als E-Mail an Kindergärten, Grundschulen und Jugendhilfeeinrichtungen geschickt werden. Zurzeit hält der „Kleine Bär“ seinen wohlverdienten Winterschlaf.

Als dann Anfang Oktober die Coronazahlen schlechter wurden und Infektionen im unmittelbaren Umfeld der Buchhandlung auftauchten, haben wir unser Team in zwei Gruppen geteilt, die untereinander keinen Kontakt hatten, damit wir im Falle einer Infektion einer Mitarbeiterin mit der nicht betroffenen Gruppe den Geschäftsbetrieb (auch wenn dann wohl nur eingeschränkt, so aber doch wenigstens irgendwie) hätten aufrechterhalten können.

Darüber hinaus haben wir ab Anfang November bis zum 2. Lockdown unseren „Buchgenuss nach Ladenschluss“ ins Leben gerufen. So konnten sich Gruppen von vier bis zu acht buchaffinen Menschen die Buchhandlung auf vorherige Anmeldung nach Ladenschluss für anderthalb Stunden sichern und in dieser Zeit in aller Ruhe in den Regalen und Auslagen stöbern und so einen Großteil ihrer Weihnachtsgeschenke stressfrei zusammentragen. – Diese Aktion hatte noch den positiven Nebeneffekt, dass die Stoßzeiten entlastet wurden, wodurch die Wartezeiten für Buchinteressierte spürbar kürzer waren. An den letzten beiden Tagen vor dem 2. Lockdown haben wir unsere Öffnungszeiten auf 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr ausgedehnt.

Seit dem 16. Dezember 2020 sind wir nun wieder (wie im ersten Lockdown) jeden Tag zu den normalen Öffnungszeiten für unsere Kunden telefonisch erreichbar. In dieser Zeit können auch bestellte Bücher auf Rechnung abgeholt werden. Natürlich besteht auch unser Lieferservice weiter.

Wir haben durch das ganze letzte Jahr bis heute mit diesem kundenwunschorientierten Verhalten nur gute Erfahrungen gemacht – und dafür großen Zuspruch erhalten. Daher irritieren uns einige von Zuliefererseite getroffene Maßnahmen sehr, um es mal vorsichtig auszudrücken. Konnten wir die in der Weihnachtszeit durch das hohe Bestellaufkommen häufig verspätete, mitunter deutlich verspätete, Belieferung und das Aussetzen der Belabelung der Bücher noch zähneknirschend akzeptieren, fehlt uns für die aktuellen Bestrebungen und tatsächlich vollzogenen Maßnahmen zur „Effektivitätssteigerung“ jegliches Verständnis. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, wie man gerade in der jetzigen Situation die Montagsbelieferung ganz aufgeben und die Belieferung an den restlichen Tagen bis in die Mittagsstunden nach hinten schieben kann.

Und dann gibt es da Überlegungen aus dem Kollegenkreis, ob nicht eine Belieferung an drei Tagen pro Woche reiche, das reduziere (neben anderem) auch in jedem Laden die Personalkosten. Wir in Werne an der Lippe jedenfalls empfinden noch eine Verantwortung für unser Team, für unsere Mitarbeiterinnen. Daher versuchen wir wirklich alles, um Einsparungen beim Personal zu vermeiden! Darüber hinaus finden wir keinen für uns plausiblen Ansatz, wie wir unseren Kunden, die uns trotz aller Schwierigkeiten, trotz bequemer Alternativen treu die Stange halten, erklären könnten, dass sie nun für genau diese Treue und Loyalität bestraft werden.

Warum machen wir alle nicht einfach weiterhin unseren Job, so gut es eben geht? Liegt es vielleicht daran, dass wohl leider nur für uns unabhängige stationäre Sortimenter unser Tun eben nicht einfach nur Job, sondern Beruf und im häufig zutreffenden Idealfall Berufung ist? Oder daran, dass so gut wie eben möglich etwas ganz anderes als möglichst effizient ist?

Ich glaube, dass unsere Existenz, auch unsere wirtschaftliche Existenz, ihre Möglichkeit und ihre Berechtigung einzig aus einem Tun, so gut wie irgend möglich, erhält! Effizient aus Kundensicht wäre es, auf der Couch liegend, was auch immer gewünscht oder gebraucht wird, mit einem Knopfdruck online zu bestellen. Und besonders effizient wäre es, wenn die Adresse, unter der alle Bedürfnisse zu befriedigen wären, immer dieselbe bliebe – und dann begänne sie wohl in aller Regel mit „A“…

Also hoffen wir, dass zumindest für unsere Kunden so gut wie irgend möglich auch weiterhin wichtiger bleibt als möglichst effizient!

 

Hubertus Waterhues, Geschäftsführer von Bücher Beckmann in Werne

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