Anne Schneider ist tot

Teamworkerin mit Humor

2. März 2021
Redaktion Börsenblatt

Die Buchhändlerin und langjährige AkS-Sprecherin Anne Schneider (70) ist am 27. Februar gestorben. Ein Nachruf von Weggefährtin Jutta Bummel, Inhaberin der Buchhandlung Eulenspiegel in Hochheim.

Anne Schneider war eine Buchhändlerin mit Leib und Seele, leidenschaftlich und engagiert – und ein wunderbarer Mensch. Nachdem die Buchhandlung 2016 ganz an mich übergeben wurde, kam sie regelmäßig im Laden vorbei, sprang helfend ein, wenn Not an der Frau war und machte sich dann gleich an die notwendigen Datenaktualisierungen am PC. Anne bemerkte sofort, dass eine Lampe nicht mehr brannte, die Schubladen im Chaos versanken und die Bleistifte ordentlich angespitzt gehörten. Selbst nach ihrem letzten Krankenhausaufenthalt im Dezember war es ihr ein dringendes Bedürfnis, sich um die Internetseite der Buchhandlung Eulenspiegel zu kümmern. Stets erzählte sie von den Büchern, die sie gerade gelesen hatte, liebte den literarischen und persönlichen Austausch. Ihre schier nicht enden wollende Energie war dabei immer spürbar.

Am liebsten vertiefte sie sich in opulente Romane wie die von Louise Erdrich. Kunden vertrauten auf ihr Gespür für lesenswerten Stoff und noch heute reicht "Frau Schneider hat es gerne gelesen" als Empfehlung, um ein Buch zu verkaufen. Obwohl sie zuletzt kaum noch im Eulenspiegel war, erkundigten sich die Stammkunden regelmäßig nach ihr.

Der Blick aufs große Ganze

Von Anfang an schaute sie über den Tellerrand der lokalen Buchhandlung: Sie war Gründungsmitglied der LG-Buch und engagierte sich über Jahre hinweg im Börsenverein als Sprecherin des AKS. Typisch Anne, dass sie uns erst nach der Ehrung mit der Goldenen Nadel durch den Börsenverein davon erzählte und kein großes Aufhebens darum machte. Anne war eine Teamworkerin, wie das Börsenblatt anlässlich ihres 70. Geburtstages treffend titulierte. Die wichtigste Grundlage war ihr gegenseitiges Vertrauen. Sie lachte gerne und bewahrte sich den ihr eigenen Humor, nicht selten mit bissigen und trockenen Kommentare garniert, bis zuletzt.

Für ihr phänomenales Gedächtnis wurde sie bewundert; sie konnte Hochheimer Familien über drei Generationen hinweg zuordnen – mit Enkeln, Schwagern ehemaligen Ehefrauen etc., merkte sich alles, was ihr die Kunden anvertrauten. Und da war es auch gut aufgehoben, denn durch ihren ersten Beruf als Sozialarbeiterin hatte sie ein feines Gespür für Menschen. Im größten Chaos ließ sie sich nie aus der Ruhe bringen, blieb geduldig, wo wir als Kolleginnen schon längst die Nerven verloren hatten.

Eine Erzählerin

Als sie vor fast 35 Jahren mit Ursula Kröpsch und einigen Gesellschaftern die Buchhandlung Eulenspiegel in Hochheim gründete, war sie es, die den Eulenspiegel technisch immer wieder auf den neuesten Stand brachte. Ohne sie würden wir wahrscheinlich noch heute die alten KNV-Kataloge wälzen und unsere Kunden per Postkarte über das Eintreffen ihrer Bestellungen informieren.

Ein Herzensprojekt von ihr war der Hochheim-Bildband mit interessanten Texten und sehenswerten Bildern, dessen Veröffentlichung wir 2009 mit einem großen Fest feierten. Von Anfang an organisierte sie Lesungen – Rafik Schami und Alex Capus waren Autoren, die sie immer wieder gerne einlud und auch die Abende mit Folio-Verleger Hermann Gummerer oder Rainer Moritz waren ihr eine Freude. Gerne erzählte sie danach eindrucksvoll und lebendig bei einem (oder zwei) Gläsern Rotwein Anekdoten aus dem Berufsleben, von ihren Reisen in die Türkei oder in den Yemen. Ein langjähriger Freund von Anne drückte es nun so aus: "Was mir besonders fehlen wird, ist ihr Erzählen".

Ihr Markenzeichen: das Positive erkennen

Es gäbe noch so vieles über Anne Schneider zu erzählen, aber dafür reicht der Platz nicht: vom Lebensalterprojekt, ein generationenübergreifendes, außergewöhnliches Wohnprojekt, zu dessen Verwirklichung sie maßgeblich beigetragen hat, von ihrer Leidenschaft für das Gärtnern und dem Gemeinschaftsgarten, von ihrer Fähigkeit, zahlreiche Freundschaften über Jahrzehnte zu pflegen und das Glück, einen Mann wie Klaus an ihrer Seite gehabt zu haben.

Ich habe Anne kennengelernt, als ich 27 Jahre alt war und nach dem Studium eine Ausbildung zur Buchhändlerin bei ihr begann. Sie hat mich ausgebildet, war auf meiner Hochzeit, wir haben auf ihre angestoßen, sie hat meine Tochter aufwachsen sehen, acht Jahre lang haben wir den Eulenspiegel gemeinsam gelenkt – uns verbinden so viele gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen. Es ist mir eine Ehre, sie gekannt zu haben und sie meine Freundin nennen zu dürfen. Ich werde ihren klugen Rat, die menschliche Unterstützung, den Austausch mit ihr und sie selbst so sehr vermissen.

Die Krankheit war seit einigen Jahren Teil ihres Lebens. Während andere klagten, hat sie sie ohne Wehklagen angenommen und ist tapfer damit umgegangen. Typisch für sie, dass sie sich selbst dann noch mehr nach anderen erkundigt hat, als selbst von ihren zahlreichen Operationen und Nachbehandlungen zu sprechen. Ihre innere Stärke und positive Lebenseinstellung haben sie bis zuletzt ausgezeichnet. Annes positive Art werden wir in uns behalten.