Sommer mit Idylle

Die Dame des Hauses verfolgte im Sommer ihre Neigungen. Sie fuhr durch Europa, einer Lieder singenden Frau hinterher, die angeblich sehr berühmt war. Ich kannte sie nicht. Ich fand sie aber unheimlich gut, denn sie bescherte mir einen Traumjob. Meine Tätigkeit bestand über Jahre darin, die Dame des Hauses in der Buchhandlung zu vertreten.

Im Sommer die Reisen, im Herbst der Blues und zu Weihnachten Glühwein mit anderen Auserwählten. Wichtige Aufgaben meiner Tätigkeit lauteten: Unheimlich viel Kuchen zu essen, den die Schwiegermutter im Obergeschoss herstellte. Der war lecker. Und ich schwieg zu dem, was der Sortimenter selbst in diesen Tagen und Wochen tat. Es war mir auch wirklich egal.

Dass ich nebenbei Schulbücher bestellte, Heftumschläge abzählte und häufiger versicherte, die Etiketten für die Einmachgläser gäbe es schräg gegenüber, in dem Haushaltswarenladen: Arbeitseinzelheiten. Ich liebte diesen Job, weil ich dafür allein im Buchladen war. Sommer für Sommer, ein altes Haus in einer kleinen Stadt. Ich will nicht sagen, dass ich immer nur Romane las. Das ist eine Illusion über den Alltag im Sortiment. Aber ich beschäftigte mich mit den Warengruppen, ohne zu wissen, dass die sich so nannten. Ich sah mir an, was die Regale enthielten. Welten, für eine Realschülerin mit katholischem Hintergrund.

Es gab damals, das ist bald dreißig Jahre her, noch viele Lexika und Atlanten. Sie hatten auch Kartensortimente, deren Vollständigkeit man gelegentlich überprüfen musste. Der Blattschnitt, sehr wichtig. Duden, Stowasser, die ersten Bücher zum Umgang mit diesem Computer, der sich als Arbeitsmittel zu etablieren begann. Die Rechnungen wurden aber zur Sicherheit auf der Schreibmaschine angefertigt, und das würde noch eine ganze Weile so bleiben. Ich integrierte mich durch einen Kursus im Tastschreiben und überholte die Dame des Hauses bald in der Anschlagzahl. Sie fand das nicht besonders lustig.