Eine Woche lang liest Lilly Ludwig von der Buchhandlung Jakob in Nürnberg gemeinsam mit einer Kollegin ein Buch – per Livestream. Aber keiner sagt ein Wort. 30 Minuten Stille – und alle feiern es. Willkommen beim Read along. Hier beschreibt Lilly Ludwig wie sich das anfühlt.
Das Lesen ist für uns Buchhändler*innen tägliche Gewohnheit, wir haben in jahrelanger Übung trainiert, uns mehrere Stunden am Stück konzentriert auf einen Text fokussieren zu können. Oder, Hand aufs Herz, sind wir nicht auch schon längst in die Fallen der Aufmerksamkeitsökonomie getappt, die to be read- Stapel höher als unsere Wohnungsdecken, nur übertroffen vom Ausmaß unserer Bildschirmzeit? Die permanente Simultanstimulation des Internets verhagelt nicht nur uns vermeintlichen Leseprofis die Konzentration, sondern auch all unseren Kund*innen. Autorin Mercedes Lauenstein schreibt in ihrem Artikel Wie ich einmal versuchte, wieder lesen zu lernen für jetzt.de: „Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich beinahe Angst vor der Ruhe, die mich beim Lesen erfasst – ich kenne sie nicht mehr, sie ist mir nicht mehr geheuer.“
Doch der Buchmarkt braucht Leser*innen, und eine Idee entdeckte ich bei einigen BookTubern: gemeinsame Read Alongs. Das Prinzip ist mehr als simpel:
Eine Woche gemeinsam auf Instagram gelesen
Eine Woche lang luden eine Kollegin unserer Partnerbuchhandlung und ich die Follower*innen unserer Instagram-Accounts ein, jeden Morgen eine halbe Stunde lang mit uns zu lesen. Das Angebot wurde nicht nur sehr gut angenommen, wir erhielten auch berührendes Feedback: „Vor allem das Gefühl der Gemeinsamkeit war wohltuend und konnte für eine Weile mein dauerhaft nervöses fomo-brain beruhigen.“, schreibt eine Userin. „Sich jeden Tag bewusst Zeit fürs Lesen zu nehmen gab mir den Anstoß, Lesen wieder als Gewohnheit in meinen Alltag einzubauen, und im Chat-Austausch darüber, was die anderen gerade lesen fand ich neue Lesetipps und Vorfreude auf kommende Bücher. Bei mir hat der Read Along einen Samen gesät, und ich werde nächste Woche einfach wieder mithilfe eurer Videos von vorne anfangen.“
Read Alongs sind für mich eine genauso effektive wie unaufwendige Methode, um das Lesen ins Bewusstsein zu rücken. Denn viel zu oft verschieben wir das Lesen auf den nonexistenten Zeitpunkt "Wenn ich mal in Ruhe dazu komme". Doch Zeit für Bücher muss sich genauso aktiv genommen werden wie Zeit für Sport.
Lilly Ludwig.
Read Alongs sind für mich eine genauso effektive wie unaufwendige Methode, um das Lesen ins Bewusstsein zu rücken. Denn viel zu oft verschieben wir das Lesen auf den nonexistenten Zeitpunkt Wenn ich mal in Ruhe dazu komme. Doch Zeit für Bücher muss sich genauso aktiv genommen werden wie Zeit für Sport.
In Zukunft möchte ich gemeinsam mit Creatorn außerhalb der Buchbubble Read Alongs veranstalten um auch die zu erreichen, für die Lesen bisher kein Teil des Alltags ist. Denn was wir Buchhändler*innen und Verlagsmenschen ja wirklich wollen, ist, mehr Menschen fürs Lesen zu begeistern, als langjährige Kund*innen zu gewinnen und unser Image als schwächer werdender Player in der Ökonomie der Aufmerksamkeit hinter uns zu lassen. Dafür ist Kreativität und eine Portion Realismus gefragt, und Instagram ist natürlich nur eine Form, wie wir unsere (künftigen) Vielleser*innen erreichen; auch offline lassen sich Formate wie Pop-up-Lesecafés oder Lesenachmittage in der Buchhandlung ohne viel Aufwand umsetzen.
[Hinweis der BBL-Redaktion: Wer sich den ReadAlong nachträglich noch anschauen möchte, kann das unter #readalongjakob tun.]
Lilly Ludwig live erleben können Sie am 30. März bei der Fachtagung Let’s talk social von mediacampus frankfurt und Börsenblatt. Dort vertieft sie das Thema „Wir gehen Live“ in einem 30-minütigen Vortrag und teilt noch mehr Erfahrungen von Live-Events der bekannten und preisgekrönten Buchhandlung @bookupwithjakob.
