Bahnhofsbuchhandel in Schwierigkeiten

"Mietmodalitäten anpassen!"

23. November 2020
Redaktion Börsenblatt

Der Bahnhofsbuchhandel sieht seine Zukunft gefährdet. Angesichts der fehlenden Kunden und einbrechenden Umsätze fordert der Verband deutscher Bahnhofsbuchhändler eine sofortige Anpassung der Mietmodalitäten. Update: Stellungnahme DB Station & Service!

Weniger Touristen, weniger Geschäftsreisen, weniger Pendler. Die Pandemie hat auch die Frequenz an deutschen Bahnhöfen und Flughäfen stark verändert. Dies spürt vor allem der Bahnhofsbuchhandel. Vor der Pandemie kauften Millionen Kunden wöchentlich dort ein, was die hohen Mieten für Hochfrequenzlagen rechtfertigte. Doch nun liegt der Umsatz der Bahnhofsbuchhandlungen bis zu 70 Prozent unter Vorjahresniveau, an Flughäfen sogar um 90 Prozent. Normalerweise erwirtschaftet der Bahnhofsbuchhandel einen Presseumsatz von ca. 195 Millionen Euro und einen Buchumsatz von 60 Millionen Euro.

Der Verband deutscher Bahnhofsbuchhändler warnt: Er sieht die Zukunft des Bahnhofsbuchhandels bedroht. Die Folgen der Corona-Pandemie – fehlende Kunden und einbrechende Umsätze – sind eine Herausforderung. Ohne eine sofortige Anpassung der Mietmodalitäten, und damit eine wirtschaftlich tragfähige Perspektive, seien kurzfristige und dauerhafte Schließungen von Filialen unvermeidlich und die Existenz ganzer Unternehmen gefährdet.

Der Verband weist auch auf die Bedeutsamkeit der Bahnhofsbuchhandlungen im Hinblick auf die Pressefreiheit hin: „Als Garanten von Pressevielfalt und einer freien Meinungsbildung haben sich Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen eine Sonderstellung im Pressevertrieb erarbeitet, die auch vom Gesetzgeber anerkannt wird. Selbst während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 durften die Presse- und Buchspezialisten weiter für ihre Kunden da sein. Ob die Branche auch im Frühjahr 2021 noch zur uneingeschränkten Versorgung der Bevölkerung mit Presseprodukten beitragen kann, ist offen. Denn die Mieten des Bahnhofsbuchhandels stehen heute in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag der Geschäfte. Um die notwendige Liquidität zu sichern, haben der Branche in den vergangenen Monaten nur temporäre Zugeständnisse der Vermieter und neue Kredite geholfen.“

Deutsche Bahn: "Wir lassen unsere Mieter nicht allein"

Die Deutsche Bahn lasse ihre Mieter in den Bahnhöfen mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht allein, sagte eine Sprecherin auf Anfrage des Börsenblatts. Bereits im Frühjahr habe die DB "schnell und pragmatisch" geholfen und eine Stundung der Mieten für April und Mai sowie nach Bewertung der jeweiligen Situation auch ein Abmindern der Miete angeboten. Die Mieter in den Bahnhöfen hätten von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Insbesondere auch mit den Vertretern des Bahnhofsbuchhandels befinde sich die DB aktuell in intensiven Gesprächen, um "kurzfristig eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden."

Die Mieten des Bahnhofsbuchhandels richten sich normalerweise nach dem erzielten Umsatz, doch die Mietvereinbarungen garantieren den Vermietern zusätzlich eine hohe Mindestmiete, in der Regel 90 Prozent der zu erwartenden Umsatzmiete. Wegen der aktuellen Umsatzausfälle befände sich die fällige Miete bereits drei- bis fünffach über dem Betrag, der bei einer reinen Umsatzmiete zu zahlen wäre. Auch auf lange Sicht sieht der Verband keine Chance, den entgangenen Umsatzverlust nachträglich zu realisieren.

Mit den Flughäfen habe man langfristige Aussetzung der Mindestmieten und Anpassungen der Umsatzmieten bereits vereinbaren können. Mit dem wichtigsten Vermieter des Bahnhofsbuchhandels, der DB Station & Service, gebe es für die laufende zweite Welle der Pandemie noch keine vergleichbaren Zugeständnisse, auch wenn das Unternehmen grundsätzlich Gesprächsbereitschaft und Lösungen für das Jahr 2021 in Aussicht gestellt hat. Der VDBB-Vorsitzende Torsten Löffler betont jedoch die Dringlichkeit der Anpassung. „Unsere Branche braucht noch im vierten Quartal 2020 tragfähige und nachhaltige Lösungen.“

„Der Bahnhofsbuchhandel ist systemrelevant für die Verlagsbranche und die Lesekultur in Deutschland“, so Löffler weiter. „Ohne eine kurzfristige und dauerhafte Anpassung der Mietmodalitäten an Verkehrsstandorten an die neue Realität - während und nach Covid19 - ohne eine faire Risikoverteilung zwischen Vermietern und Mietern, wird der Bahnhofsbuchhandel wie wir ihn kennen, als Schutzraum der Pressevielfalt und der freien Meinungsbildung, schon bald Geschichte sein.“