Interview zum Tübinger Modell

"Mein Fazit fällt gemischt aus"

1. April 2021
von Christina Schulte

Ob Kino oder Einkaufsbummel: In Tübingen genießen getestete Menschen ein Stück Normalität. Wie sich das auf ihre Buchhandlung auswirkt, berichtet Ulrike Dahmen.

Das Tübinger Modell läuft seit Mitte März. Welche Zwischen­bilanz ziehen Sie?
Mein Fazit fällt sehr gemischt aus. Einerseits ist es sehr schön, dass wieder mehr Menschen in die Stadt kommen. Andererseits haben die Leute nun viel mehr Möglichkeiten, die sie die ganze Zeit nicht hatten. Sie können ins Kino oder ins Theater gehen – und vor allem gemütlich in der Außengastronomie sitzen. Diese Optionen wurden und werden natürlich wahrgenommen. Insofern war das gerade am Anfang frustrierend, weil die Kundinnen ausgeblieben sind. Ich habe bei meiner Nachbarbuchhandlung gefragt, ob dort genauso tote Hose ist wie bei mir. Und das war es. Aber jetzt sieht das schon anders aus. Am Wochen­ende beispielsweise ist bei mir im Laden sehr viel los, und es kommen auch und Menschen von außerhalb. Unter der Woche gibt es die normalen Schwankungen.

Wie ist die Stimmung bei Ihren Kundinnen?
Als ich die Buchhandlung am 8. März wieder öffnen durfte, weil Bücher als Grundversorgung definiert wurden, waren die Kundinnen sehr euphorisch und begeistert, dass sie wieder in den Laden kommen können. Es herrschte großer Andrang. Die Kommunikation und der Austausch haben ihnen sehr gefehlt, das bildet Click & Collect einfach nicht ab. Und mir hat all das natürlich auch gefehlt, denn ich bin sehr an den Menschen interessiert. Der Beginn des Tübinger Modells am 15. März ist bei uns dann gar nicht so sehr aufgefallen, weil wir schon vorher geöffnet hatten. Allerdings hat sich die Kundenfrequenz verschoben: Vormittags ist jetzt mehr los als nachmittags.

Wie entwickelt sich Ihr Umsatz?
Bei mir läuft das Geschäft ähnlich wie im März 2020. Damals gab es den ers­ten Lockdown. Interessant ist, dass Click & Collect sich im zweiten Lockdown so gut entwickelt hat und auch jetzt, bei geöffnetem Laden, weiterhin gut läuft. Mein Webshop hat sich sehr bewährt, die Kundinnen haben damit positive Erfahrungen gemacht und bestellen oft nach 18 Uhr noch etwas bei mir. Natürlich verkaufe ich im geöffneten Laden andere Bücher als online – etwa Bildbände oder Titel aus Indie-Verlagen wie dem MaroVerlag. Vor Ostern versuche ich, die Oster­artikel des Vorjahres zu verkaufen, da habe ich noch einiges vorrätig.

Wie soll es für Sie und Tübingen ­weitergehen?
Ich würde mir wünschen, dass das Tübinger Modell weiterläuft. Dann wird alles wieder normaler, das würde auch uns Buchhändlerinnen nützen, denn man kann sich nicht jeden Tag nur ins Cafe setzen (lacht). 

DAS TÜBINGER MODELL

Das Tübinger Modellprojekt »Öffnen mit Sicherheit« (seit 15. März) ermög­licht, dass beispielsweise Theater, Kinos, Geschäfte und Außengastronomie in der 90 000-Einwohner-Stadt zunächst einmal bis zum 18. April geöffnet haben. Die Öffnungen werden begleitet von einer breit angelegten Teststrategie. Mit einem negativen Schnelltest, der an einer von mehreren offiziellen Teststation durchgeführt wird, erhält man einen Tübinger Tagespass, der Zutritt in Läden etc. ermöglicht. Die Betriebe sind verpflichtet, die Einhaltung der Schnelltestpflicht zu überprüfen.

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