Mit der schrittweisen Aufhebung des Lockdowns Ende April kamen auf alle Buchhändler mit Ladengeschäft neue Fragen zu: Wie sortiere ich die Kundenströme im Laden? Wie trenne ich Ein- und Ausgang? Wie vermeide ich Schlangen vor der Kasse? Wie sorge ich für ausreichend Abstand zwischen den Kunden? Ein Punkt, der im Frühjahr und Sommer noch weniger Dringlichkeit hatte, im Herbst und im Winter aber akut wird, ist die Be- und Entlüftung des Ladens – ein Thema, das Investitionen nach sich zieht. Der Vorteil, wenn man als Buchhändler Lüftungs- und Klimatechnik einbaut: Man senkt nicht nur das Infektionsrisiko für die Kundinnen und Kunden, sondern schafft zugleich einen Mehrwert für die Zukunft.
Detlef Piersig, der in Holm bei Hamburg ein Planungsbüro betreibt und ein Experte für Ladenbau mit Schwerpunkt Buchhandel und PBS ist, kann sich gut vorstellen, dass auch kleine, unabhängige Sortimenter die entsprechenden Maßnahmen stemmen können – dank vom Staat geschnürter Hilfspakete. Das Programm »Neustart Kultur« etwa fördert den Einbau raumlufttechnischer Anlagen, wenn sie geeignet sind, die Aerosolkonzentration und somit das Infektionsrisiko mit Sars-CoV-2 zu reduzieren. Das bedeutet: Sie müssen mit
Filtern ausgestattet sein (siehe Infokasten).
Unabhängig von der gegenwärtigen Corona-Pandemie bewährt sich eine Lüftungsanlage auch als Wohlfühlfaktor. Es geht darum, die Luft im Laden so zu temperieren und strömen zu lassen, dass sich die Kunden gern im Laden aufhalten. Hier spielt aufbereitete Luft eine ähnlich wichtige Rolle wie die Optik, die Ladengestaltung oder die Beleuchtung. »Sieht man einmal von Corona ab, geht es vor allem darum, die Verweildauer der Kunden im Laden zu erhöhen«, so Piersig. Das gilt für alle Jahreszeiten: Im Hochsommer betreten Kunden gern ein Geschäft, wenn sie wissen, dass die Raumluft gekühlt ist, im Winter wegen der angenehmen Wärme.
Beim Einbau von Lüftungs- und Klimatechnik sind mehrere Faktoren zu bedenken, gerade wenn das Budget schmal ist. Ein wichtiger Punkt sei die Energieeffizienz, so Piersig. Denn nicht nur die Anschaffung einer Anlage, sondern auch die benötigte Energie verursache erhebliche Kosten. Da empfehle es sich unter Umständen, eine Kühlanlage zugleich als Wärmepumpe zu nutzen.
Für die Belüftung eines Ladengeschäfts gibt es eine Bandbreite möglicher Maßnahmen:
- Die einfachste Lösung ist das klassische Querlüften: Es gibt zwei gegenüberliegende Fenster oder Türen, die geöffnet sind und eine Ventilation des Raums ermöglichen. Spätestens im Winter ist das keine Option mehr.
- Eine verbreitete Lösung ist eine Lüftungsanlage, die Frischluft von außen ansaugt, filtert, und die verbrauchte Luft wieder nach außen abgibt. Hier empfiehlt Piersig den gleichzeitigen Einbau eines Wärmetauschers, der der Abluft Wärme entzieht, die über die Frischluft wieder der Raumluft zugeführt wird. Ganz wichtig beim Betrieb einer solchen Anlage sei, dass eingesetzte Filter regelmäßig gereinigt und / oder ausgetauscht würden, so der Experte. Denn dem Zweck, Corona-Aerosole aus der Raumluft herauszufiltern, sei nicht gedient, wenn sich gleichzeitig andere Keime in den Filtern sammelten. Beim Einbau einer solchen Anlage sei eine Profiberatung unerlässlich, so Piersig.
- Eine weitere Option ist eine Klimaanlage, die mit einem Außen- und Innenteil arbeitet (Split-Technik). Die Kältemaschine hängt dabei draußen an der Fassade, und die eingesogene Luft wird im Innenraum von einem Ventilator an Kühlrippen vorbeigeleitet. Auch hier ist wichtig, den Filter regelmäßig auszutauschen und die Luftkanäle zu reinigen, damit sich keine Schwebeteilchen wie Schimmelpilze oder Feinstäube absetzen.
- Falls der Einbau von Lüftungs- und Klimatechnik Probleme verursacht, beispielsweise weil der Vermieter des Ladens bauliche Veränderungen untersagt, gibt es noch die Option des Umluftgeräts, das verbrauchte Raumluft filtert, befeuchtet und wieder gereinigt dem Raum zuführt. Das sei eine durchaus effiziente Lösung, gerade im Hinblick auf das Herausfiltern von Aerosolen, so Piersig. Um die Virenlast im Raum zu minimieren, sei es am besten, die Luft häufiger auszutauschen. Auch hier – wie bei allen Lüftungsanlagen – kommt es auf das Konzept an. Wie werden die Luftströme gelenkt? Gibt es einen zentralen Zugang und Abgang?
Als Standard für den Filtereinsatz empfiehlt Piersig – wie übrigens auch die Bundesregierung – die sogenannten HEPA-Filter (Typen H 13 und H 14). Diese können die Virenlast in erheblichem Maße reduzieren.
Eine weitere Möglichkeit, Aerosole der Raumluft zu entziehen, sind technische Filter, die die Luft durch ein Hochspannungsfeld ziehen. Die gereinigte Luft hat einen höheren Ozonanteil, was sich im Geruch bemerkbar macht.
Die Kosten für den Einbau einer Raumlüftungsanlage variieren je nach Hersteller und den unterschiedlichen baulichen Gegebenheiten. Piersig nennt eine Hausnummer: Man müsse mit Kosten zwischen 4 000 und 6 000 Euro rechnen. Die notwendigen Investitionen kann man entweder aus Corona-Hilfsprogrammen oder auch aus allgemeinen Fördermitteln, etwa für energiefreundliches Bauen, beschaffen.
Der große Komplex Lüften, dem Bund und Länder sogar einen eigenen Gipfel gewidmet haben, ist nicht das einzige Umbauthema, das den Buchhandel in der kommenden Saison beschäftigen wird. Weitere Punkte, für die ebenfalls Fördermittel bereitstehen, sind:
- der Einbau von Schutzvorrichtungen (Plexiglasscheiben als Spuckschutz), der zum Teil noch ausbaufähig ist;
- die Optimierung der Besuchersteuerung vor und im Laden, beispielsweise im Kassenbereich oder an der Kundeninformation;
- die Beschaffung und Aufstellung von Desinfektionsmitteln;
- eine angepasste IT-Infrastruktur und vieles mehr.