Kolumne von Matthias Mayer

Leck, Denis Scheck!

13. März 2025
Matthias Mayer

Noch mehr Platz zum Kleben, Zerstören, Bemalen: "Mach dieses Buch fertig" erscheint zum Geburtstag in einer XXL-Auflage. 

Matthias Mayer

Matthias Mayer ist Buchhändler in Langenselbold.

Vor 15 Jahren brachte der Kunstmann Verlag den Bestseller "Mach dieses Buch fertig" von Keri Smith heraus; eine Anleitung zur schrittweisen Zerstörung ebendieses Buchs. Ganz klar, dass so etwas aus Amerika kam. Die Erfinderin – fast hätte ich Autorin gesagt – kommt aber aus Kanada, das macht es schon wieder sympathischer. Dann muss doch ein tieferer Sinn darin stecken. Guerilla­marketing war das: etwas so Geheiligtes wie ein Buch mehrdimensional kaputt zu machen.
 

Schockeffekt

Zum Buchjubiläum möchte Kunstmann dazu auf die Pauke hauen, obwohl man meinen sollte, dass es Gags gibt, die besser altern als Bücherzerstörung. Buchzerstörung ist bei den heutigen Papierpreisen und Weltnöten ebenso unzeitgemäß wie Einwegpielzeuge mit fest verbauten Batterien unserer führenden Non-Book-Anbieter. Aber genau auf diesen Schockeffekt setzte Keri Smith ja ursprünglich, und wenn Sie mir bis hierhin recht geben, dann sind Sie schon auf uns hereingefallen, auf Keri Smith und mich. 

Das Verbrauchen eines Buchs ist an sich ja ein völlig legitimer und legitimisierter Vorgang – denke man nur an Tagebücher, Rätselbücher, Adventsbücher, generell an Kalenderbücher, die eigens zum Verbrauchen verkauft werden. Angenehm aufregend ist dabei anscheinend zuerst die Sinnlosigkeit des Verbrauchs, und nur als L’art pour l’art wollen wir das nicht gern durch­gehen lassen.

Das erwartet Sie in Keri Smiths Buch: Wir werden in die Dualität von Gehorchen (Seitenzahlen eintragen) und Nichtgehorchen (Seite leerlassen? Von wegen!) eingeführt, bevor es dann eine Reihe von Aufgaben gibt, die uns anhand von Symbolhandlungen durch die Stationen des Lebens führen. Das Säuglingsalter wird simuliert durch Klecksen und Zerstören, aber das geht noch. Das Kleinkindalter wird simuliert durch eine Aberzahl oraler Stimulanzaufforderungen, die Buchseiten zu kauen, abzulecken, mit vollem Mund abzulecken, seinen Lolli darauf abzulegen und dann zu hoffen, dass es der Therapeut nicht in die Finger bekommt. Das Kita-Alter wird durch Blätterpressen, Abmalen, Farben, Muster, Stempel und Papierflugzeugvorlagen gelebt. Die Schulzeit bedeutet Aufsätze, die Pubertät wird durch Partyspiele wie Buchwerfen, Buchgolf, mit dem Kuli im Mund schreiben herbeiverflucht, und der erwachsene Utilitarismus schließlich schlägt sich in Anwendungen wie Einkaufszettel, Verpackungsmaterial und Kompostmöglichkeit nieder. Ihre Rente simulieren Sie mit nostalgischem Einkleben zum Beispiel von Obstaufklebern.

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