Buchhändlerin beherbergt Ukrainerinnen

Eva Korn: "Uns verbindet die Kultur"

8. März 2022
Torsten Casimir

Die Niederrheinerin Eva Korn und ihr Mann haben fünf Menschen, die aus der Ukraine flüchten mussten, bei sich zuhause aufgenommen. Bericht von einem Anfang voller Sorge und doch auch Freude.

Eine Woche ist es her, dass Eva Korn mit ihrem Lebensgefährten beim Frühstück saß und die beiden eine Entscheidung trafen, die ihr Leben verändern sollte: daheim in dem zu Hamminkeln gehörenden Dorf Loikum Menschen aufzunehmen, die aus der Ukraine flüchten mussten. Aus dem Frühstück zu zweit ist mittlerweile ein Frühstück zu siebt geworden.

Mit am Tisch sitzen jetzt zwei junge Frauen, eine Pianistin und eine Mathematikerin, sowie drei Kinder im Alter zwischen drei und zehn Jahren. Sprachbarrieren? „Ein bisschen Deutsch, ein bisschen Englisch, das geht schon. Es wird viel gezeigt, Sprache und Mimik sind wichtig. Aber vor allem die Sprache des Herzens und der Kultur verbinden uns“, sagt Eva Korn. Nebenbei steckt sie gerade mitten im Umzug ihrer Dinslakener Buchhandlung. Überfordert fühlt sie sich dennoch nicht, vielmehr voller Energie.

Alltagsroutinen haben vorläufig Pause

Seit vergangenem Donnerstag haben die Alltagsroutinen vorläufig Pause. Gegen 17 Uhr kamen die Musikerin Katja, ihre Schwester Marina und deren drei Kinder am Bahnhof der Kreisstadt Wesel an. Korn schloss ihren Laden zu, nahm den VW-Bus und holte ihre Gäste ab. „Sie waren eine Woche nonstop unterwegs, hatten nur in Zügen immer mal ein wenig schlafen können“, erzählt die Buchhändlerin. Es sei bei der Ankunft „gleich eine große Sympathie füreinander da gewesen“.

Korn und ihr Mann haben den Entschluss, Flüchtende vor dem Krieg bei sich aufzunehmen, zwar recht spontan, aber nicht unüberlegt getroffen. „Die ersten Fernsehbilder aus der Ukraine hatten uns, wie so viele andere Menschen auch, geschockt. Dieses totale Ohnmachtsgefühl hat mich dann umgetrieben“, erinnert sich die Niederrheinerin.

Hört man Eva Korn beim Erzählen zu, müssen die ersten gemeinsamen Tage der neuen Loikumer Wohngemeinschaft eine Achterbahnfahrt der Gefühle gewesen sein. 

Als ihre Entscheidung getroffen war, ging alles ganz schnell. Sie meldete sich beim Börsenblatt mit der Frage, ob hier in der Redaktion bereits Hilfegesuche von flüchtenden Menschen angekommen seien, und parallel bei Raimund Wippermann, dem Rektor der Robert-Schumann-Musikhochschule. Der hatte tatsächlich gerade von einer seiner Studentinnen gehört, dass eine Freundin nebst Schwester und deren Kindern auf der Flucht aus dem Kriegsgebiet sei. So kam es direkt zu der Vermittlung.

Hört man Eva Korn beim Erzählen zu, müssen die ersten gemeinsamen Tage der neuen Loikumer Wohngemeinschaft eine Achterbahnfahrt der Gefühle gewesen sein: einerseits Erleichterung nach den Strapazen der Flucht, Freude der ersten Begegnung, es steht ein Flügel in dem geräumigen Haus – traumhafter Glücksfall für Katja, unerwartete Hauskonzerte für die Gastgeber; andererseits die ständige Sorge der jungen Frauen um die von ihnen in der Heimat Zurückgelassenen. Der Mann von Marina sei von Kiew in die Ostukraine zu seinen Eltern gegangen, in eine kleine Stadt, deren Menschen in der Ungewissheit leben, ob russische Truppen womöglich schon näher rücken. Eine permanente Bedrückung, die sich auch bei den Schwestern Marina und Katja breitmache, berichtet die Buchhändlerin.

Wird die Energie des Anfangs sich verbrauchen?

Wird die Energie des Anfangs sich verbrauchen, wenn der Alltag wieder einkehrt, der Krieg aber nicht aufhört und aus der Ad-hoc-WG eine dauerhafte Gemeinschaft entsteht? „Uns verbindet die Kultur, die Musik, die Liebe zu Büchern. Wir kennen uns noch kaum, aber da ist trotzdem nichts Fremdes. Das wird lange tragen“, glaubt Eva Korn. Ohne einen Ton des Zweifels.

Am leichtesten, sagt sie, falle das Ankommen in der Ferne noch den drei Kindern. Die lernten bereits erste deutsche Wörter. Und sie scheinen mit dem Beruf ihrer Gastgeberin ganz einverstanden zu sein. Gleich in den ersten Tagen entstand ein Handyfoto, auf dem die Buchhändlerin mit zweien ihrer jungen Gäste auf dem Sofa sitzt – und alle drei lesen.