Nachdem im März der Kauf von Lehmanns Media verkündet wurde, hängt nun wieder ein größerer Fisch an der Übernahme-Angel des Hagener Unternehmens. Gleich zehn Filialen von Weltbild werden das Portfolio von Thalia künftig ergänzen. Ein interessanter Deal zwischen zwei Unternehmen, die unterschiedliche Verkaufsstrategien für das Produkt Buch verfolgen und sich daher handelseinig werden konnten.
Beide sehen sich zwar als Omni-Channel-Händler, jedoch mit anders gelagerten Schwerpunkten. Während für Thalia Buchhandlungen „wichtige und zugängliche Orte für das Lesen“ sind, sollen die stationären Läden für Weltbild „Showrooms für die Marke“ werden. Die Augsburger setzen stärker auf den Ausbau ihrer Digitalstrategie und auf Präsenz in verschiedenen digitalen Kanälen. Wenn man bedenkt, dass Weltbild einst mehr als 200 Läden hatte und es bald nur noch rund 50 in Deutschland, Österreich und in der Schweiz sein werden, wird hinter diesen Zahlen der Strategieschwenk von Weltbild klar sichtbar.
Die Übergabe der zehn Läden erfolgt in einer besonderen Zeit: Thalia hat keine leichten Monate hinter sich und unter der Corona-Krise gelitten. Trotzdem scheint das Geld für weitere Zukäufe vorhanden. Woher es stammt, ob aus dem Unternehmen, aus dem Gesellschafterkreis oder ob es via Kredit fließt, darüber lässt sich nur spekulieren. Würde man die Verlage fragen, würden sie vielleicht sagen, das Geld, oder zumindest ein Teil davon, komme von ihnen.
Jedenfalls erschließt sich Thalia auf einen Schlag sieben neue Standorte, an dreien wird man mehrfach vertreten sein – gewählt hat man jene, die am besten ins Portfolio passen. Für das Unternehmen entfallen damit etwa die Suche nach geeigneten Immobilien oder passenden Mitarbeiter*innen oder der Aufbau eines Kundenstamms. Sicher, die Weltbild-Kundschaft ist eine andere als die von Thalia, aber eine gewisse Überschneidung gibt es und so sind wichtige Grundlagen bereits gelegt.
Interessant ist die Größe der Filialen: Sie umfassen zwischen 150 und 200 Quadratmeter. Noch vor einigen Jahren galt das nicht als die optimale Buchhandelsfläche für große Filialisten. Die Rede war damals von 800, 400 oder 250 Quadratmetern. Der Trend zu (noch) kleineren Flächen scheint ungebrochen. Das ist wohl die Konsequenz aus dem Konsumverhalten, das sich ohnehin verändert und dessen Veränderung sich in der Corona-Krise noch beschleunigt hat: Auch Buchkäufer*innen bestellen immer mehr online und so helfen kleinere Flächen, die Kostenstrukturen im stationären Geschäft im Griff zu behalten.
Im Oktober wird der Transfer der Filialen stattfinden, dann wird die Verhandlungsmacht von Thalia gegenüber den Verlagen wieder ein Stück wachsen. Anders dürfte es auch für die Buchhandlungen vor Ort werden, die es bisher mit Weltbild zu tun hatten - sie müssen sich einstellen auf eine neue Konkurrenzsituation und einen stärkeren Wettbewerb in ihrem stationären Kerngeschäft.