Drastische Mieterhöhung durch neuen Eigentümer

Buchladen Kisch & Co wehrt sich

19. Juni 2020
Redaktion Börsenblatt

Der Traditionsbuchladen Kisch & Co im Berliner Stadtteil Kreuzberg ist einer der Mieter im Gebäude Oranienstraße 25, die befürchten, dass der neue Vermieter dieses entmieten will. Die Mieter wollen sich gemeinsam dagegen wehren. Der Mietvertrag des Buchladens ist inzwischen ausgelaufen.

Drastische Mieterhöhungen drohen

Seit Ende 2019 gibt es einen neuen Eigentümer des Gebäudes in der Oranienstraße 25 in Berlin-Kreuzberg. Zu den Mietparteien der Traditionsbuchladen Kisch & Co, die neue Gesellschaft für bildende Kunst e.V. (nGbK), das Werkbundarchiv - Museum der Dinge, das Architekturbüro kleyer.koblitz und das Yogastudio Jivamukti. Das Gebäude sei Treffpunkt, Bildungsstätte und kultureller Ort, heißt es in einer Mitteilung von Kisch & Co zum Vorgang.

Im Herbst 2019 sei die Immobilie, die zuvor im Besitz der Berggruen Holding war, von einem anonymen Luxemburger Immobilienfonds gekauft worden, der offenbar eine flächendeckende Entmietung des gesamten Objektes anstrebe.

Der neue Eigentümer habe vom ersten Tag an keinen Zweifel an seinen rein ökonomisch orientierten Verwertungsinteressen an der Immobilie aufkommen lassen. So sei dem Buchladen Kisch & Co, trotz seiner frühzeitigen Bemühungen, kein ernsthaftes, zu verhandelndes Angebot für eine langfristige Vertragsverlängerung des Mietverhältnisses in Aussicht gestellt worden. 

Inzwischen müsse Kisch & Co mit einer Räumungsklage rechnen. Der Mietvertrag sei am 31. Mai 2020 ausgelaufen. "Dass dies nicht nur die Existenz der Mitarbeiter*innen und Besitzer*innen zerstört, die diesen Laden seit mehr als 20 Jahren betreiben, sondern auch über die Nachbarschaft hinaus großes Unverständnis und Widerstand ausgelöst hat, belegt die immense Anteilnahme der Lokalpolitik, Anwohner*innen und lokalen Gewerbetreibenden", so die Mitteilung weiter.

Dem Architekturbüro kleyer.koblitz sei eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit einer Mieterhöhung angeboten worden. Das drohe nun allen Mietparteien im Laufe der nächsten ein bis fünf Jahre. Für die Mieter*innen würde dies eine Verdrei- bis Vervierfachung der aktuellen, über die letzten Jahre sowieso schon erheblich erhöhten Mieten bedeuten. Zu befürchten sei, dass sie in naher Zukunft ihre Arbeits-, Museums- und Ausstellungsräume verlieren. Die im Raum stehenden Quadratmeterpreise würden dem Standort, dem baulichen Zustand der Gewerbeimmobilie 25 und den Mietparteien in keiner Weise gerecht.

Daher vermuten die Mieter*innen, dass die neue Eigentümerschaft das Umfeld ihres Neuerwerbs entweder schlichtweg nicht kenne oder mit der Forderung von Wuchermieten absichtlich eine Entmietung des Objekts und damit eine Zerstörung der gewachsenen Strukturen in diesem Bereich der Oranienstraße herbeiführen möchte.

"Wir kämpfen um den Verbleib in der Immobilie"

Die Mieter*innen zeigen sich kampfbereit und bitten in einem Offenen Brief um Unterstützung:

"Wir als Hausgemeinschaft O-Str. 25 finden es nicht hinnehmbar, dass unter dem Mantel der Anonymität, Anleger*innen im Ausland die rechtlich bestehenden Gesetzeslücken so geschickt nutzen, dass funktionierende Lebensräume zielgerichtet ausgehöhlt werden.

Es ist nicht zu akzeptieren, dass bei maximal geforderter Transparenz nebst Offenlegung sämtlicher Geschäftsbilanzen der Bestandsmieter*innen als Voraussetzung für die Weiterführung des Mietverhältnisses das Gegenüber nicht einmal die Namen und Adressen der neuen Hauseigentümer*innen preisgeben muss!

Wie ist es in einem Rechtsstaat möglich, dass Bestandsmieter*innen Verträge mit autoritären Verschwiegenheitsklauseln und angeleiteten Lobpreisungen für die Neueigentümer*innen in der Öffentlichkeit und gegenüber der Politik gestellt werden können?

Warum existiert bis heute keine gewerbliche Mietpreisbindung, die ein zerstörerisches und unsoziales Renditedenken bereits im Ansatz unterbindet? 

Unsere Hausgemeinschaft O-Str. 25 kämpft um ihren Verbleib in der Immobilie und um faire, bezahlbare Mieten. Wir bitten um Ihre Unterstützung."

Unterzeichnet haben den Aufruf: Architekturbüro kklf, Buchladen Kisch & Co, Jivamukti Yoga Berlin, neue Gesellschaft für bildende Kunst e.V. (nGbK), Werkbundarchiv - Museum der Dinge.

Unterstützung durch Nachbarn

"Wir, die Betreiber*innen, Mitarbeiter*innen, Kund*innen, Anwohner*innen und zahlreichen Unterstützer*innen der Buchhandlung Kisch & Co. in der Oranienstraße 25 in Kreuzberg, protestieren mit Nachdruck gegen den erneuten Versuch, den Kiezbuchladen zu verdrängen", formuliert das NaGe-Netz (Solidarisches Netzwerk von  Nachbarschaft und Gewerbetreibenden in Berlin-Kreuzberg) in einer separaten Presseinformation. Seit dem 1. Juni sei die Buchhandlung Kisch & Co ohne Mietvertrag. Eine Anwältin der Eigentümerseite habe am 10. Juni in einem Schreiben die Betreiber*innen des Buchladens aufgefordert, die Geschäftsräume bis zum 19. Juni 2020 zu übergeben, da schon ein Folgemietvertrag abgeschlossen sei.

Dagegen will das NaGe Netz protestieren: "Als Antwort auf die Räumungsaufforderung gibt es am 24. Juni um 18:30 Uhr eine Kundgebung unter dem Motto „Volle Breitseite für unseren Buchladen und den Kreuzberger Kulturstandort Oranienstraße 25“ direkt vor der Buchhandlung. Im Anschluss daran präsentiert Raul Zelik sein neues Buch „Wir Untoten des Kapitals“ (Suhrkamp) in einer Lesung bei Kisch & Co.

Zum NaGe-Netz gehören unter anderem: Buchhandlung Dante Connection, Buchhandlung Modern Graphics, Buchladen oh21 und Coretex Records - und natürlich Kisch & Co.