Wie ist Schweitzer bislang durch die Corona-Krise gekommen?
Der Auftragseingang ist zu Beginn der Krise im März um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Dazu kamen die fehlenden Ladenumsätze, die so auch nicht nachgeholt wurden. Seit Juni liegen die Auftragszahlen wieder im normalen Bereich. Glücklicherweise ist der unmittelbare Effekt der Auftragseinbrüche auf die Umsätze in diesem Jahr geringer. Das liegt daran, dass ungefähr 75 Prozent unseres Geschäfts auf Abonnements basieren – die Umsätze waren also bereits vor der Krise für das gesamte Jahr vereinbart. Mit diesem kleineren Auftragsrückgang liegen unsere derzeitigen Ergebnisse erfreulicherweise nur 10 bis 20 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Mit Kurzarbeit und anderen Sparmaßnahmen steuern wir diesen Ertragseinbußen entgegen.
Welche Trends sehen Sie im Fachbuchhandel?
Die Situation stellt sich je nach Marktsegment und Medienform sehr unterschiedlich dar. Während wir einen verstärkten Rückgang bei Printprodukten in allen Bereichen verspüren, ist die Nachfrage nach digitalen Medienformen stark gestiegen. Universitäten und Lehreinrichtungen benötigen verstärkt E-Books für die Versorgung ihrer Studierenden – Forscher, Behörden, Kanzleien und Firmen müssen ihre Mitarbeiter im Homeoffice mit Datenbankzugängen, E-Journals oder E-Papers versorgen. Dieses Phänomen wird nachhaltig auf die Medienformen und deren Nutzung einwirken. Insgesamt werden Fachinformationsdienstleister und Fachbuchhändler ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen. Das verbleibende Printgeschäft wird zunehmend zurückgehen.
... und was beobachten Sie bei Abos? Befürchten Sie Kündigungen?
Wie bereits gesagt – die Zahl der Print-Abos geht zurück und die Nutzung von Abos für Digitales verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Ob es nach der Infektionswelle dann im kommenden Jahr auch zu einer weiteren Sparwelle bei den Kunden kommt, ist noch nicht abzusehen.
Wie wollen Sie bei Schweitzer auf die möglichen Entwicklungen reagieren?
Wer sich nicht anpasst, wird vermutlich auf der Strecke bleiben. Das Gute bei Schweitzer Fachinformationen ist, dass wir schon auf dem Weg in die digitale Zukunft waren, bevor wir mit der Krise konfrontiert wurden. Wir haben bereits im letzten Jahr unser digitales Portfolio erweitert sowie unser Angebot an Dienstleistungen und eigenen Produkten zur Beschaffung Verwaltung und Nutzung von digitalen und anderen Medienformen ausgebaut. Wir folgen also weiter unserer Strategie.
Welche Signale hören Sie von Großkunden?
Was sind "Großkunden"? Solche gibt es so in der Form nicht mehr. Je nach Marktsegment und Bedürfnissen unserer Kunden gibt es einzelne Dienste und Attribute, die in ein Anforderungsprofil der Kunden fallen. Die Verlagsprodukte die wir dann deshalb verkaufen können, sind zwar immer noch unsere Haupteinnahmequelle, haben aber mit der Kundengröße wenig zu tun. Die Zeit in der man über Volumen Literatur wie andere "C-Artikel" an "Großkunden" verkauft hat ist vorbei. Heute verkauft man über die Fähigkeit mit der Komplexität der Beschaffungs- und Auslieferungsprozesse und der Produktvielfalt bei digitalen Medien umzugehen. Dieses Geschäft skalierbar zu machen und vermitteln zu können, wird die Herausforderung der Zukunft sein.
Zum 1. Juli wurde ja die Mehrwertsteuer gesenkt. Was bedeutet das für Schweitzer?
Aufgrund der Preisbindung unserer Branche liegt die Entscheidung über eine Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung an die Kunden in den meisten Fällen nicht in unserer Hand. Bei Importtiteln, bei denen wir als Händler die Steuer ermitteln, geben wir die Senkung natürlich weiter an die Kunden.
Welchen Aufwand bedeutet die Umstellung?
Der Aufwand ist enorm. Wir müssen auf der einen Seite Abonnementpositionen im sechsstelligen Bereich korrigieren und damit rechnen, dass uns eine Vielzahl von Kunden mit Anfragen konfrontieren werden. Auf der anderen Seite benötigen und erwarten wir von den Verlagen wegen der Vorsteuer ebenfalls steuerliche Korrekturen. Mit der Mehrwertsteueränderung für elektronische Verlagsprodukte und der erneuten Anhebung zum 1. Januar 2021 haben wir damit drei Änderungen der Mehrwertsteuer in einem Jahr zu bewältigen.
Bringt Schweitzer denn die Mehrwertsteuersenkung einen Vorteil?
Wenn die Verlage die Brutto-Ladenpreise nicht senken, bewegt sich der Vorteil sicher in geringem Umfang. Und wenn wir einen Vorteil erlangen würden, ist zu befürchten, dass der personelle und organisatorische Aufwand für die Erstellung und den Versand der Steuerkorrekturbelege davon nichts übriglassen würde.
Ist die Mehrwertsteuersenkung in Ihren Augen eine sinnvolle Maßnahme?
Ich glaube nicht, dass die Absenkung zu den erhofften Kaufimpulsen führen wird. Außerdem ist das Ganze für den Mittelstand eher ein administrativer Irrsinn, der uns nach den Ladenschließungen während des Lockdowns noch einmal zusätzlich belastet. Wir hoffen deshalb immer noch auf weitere Nichtbeanstandungsregelungen durch das Bundesfinanzministerium.
Mehr zum Thema finden Sie im Börsenblatt Spezial RWS (Heft 30), das am 23. Juli erscheint.