Tobias Henning und Ulrike Altig

„BookTok hat mittlerweile großen Einfluss auf die Buchverkäufe“

23. März 2024
von Sabine van Endert

TikTok und Media Control haben auf der Leipziger Buchmesse gleich vier neue BookTok-Listen vorgestellt. Außerdem gibt es jetzt Bestseller-Sticker für BookTok-Bücher. Tobias Henning, General Manager Operations TikTok DACH, und Media Control-Geschäftsführerin Ulrike Altig über die Ausweitung des Angebots.

Ulrike Altig (media control), Tobias Henning (tiktok)

​​​​​​​12 Millionen BookTok-Bücher wurden nach Ihren Angaben 2023 verkauft. Was ist ein BookTok-Buch? 

Tobias Henning: Ein BookTok-Buch ist ein Buch, das TikTok-Nutzer:innen begeistert hat, die sich unter dem Hashtag BookTok auf TikTok zusammenfinden und dort Bücher rezensieren, sich über Charaktere in Büchern austauschen und die damit Bücher häufig erst zum Erfolg führen.   

 

Und die Messmethode?

Ulrike Altig: Da kommt Media Control ins Spiel. Die Messung steht auf drei Säulen: Zum einen melden 9.000 Verkaufsstellen uns ihre Verkaufszahlen, alle Titel mit dem Schlagwort TikTok / BookTok kommen in einen gesonderten Topf, daraus ermitteln wir das Ranking. Außerdem werden die Analyseinformationen von BookTok direkt hinzugezogen – das Match ergibt das Ranking 1 bis 20.

Österreich, Schweiz, Young Adult und Non Fiction – ab sofort gibt es gleich vier neue BookTok-Listen. Gibt es auf den Listen für die Nachbarländer wesentliche Unterschiede?

Ulrike Altig: Ja, zum Beispiel ist in der Schweiz „Die 1%-Methode“ von James Clear auf Platz 1, in Österreich hat es das Buch dagegen nicht in die Top Ten geschafft. Wir sehen, dass sich in den Ländern eine unterschiedliche Leser:innenschaft auf BookTok informiert und dort aktiv ist – und entsprechend anders einkauft. Da wird es noch einige Überraschungen geben.

Warum die Ausweitung des Angebots? 

Tobias Henning: Wir haben auf das Feedback der Verlage reagiert. Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir die BookTok-Bestsellerliste hier in Leipzig vorgestellt. Auf der Messe in Frankfurt haben wir dann viele Gespräche mit Verleger:innen geführt, die von der Liste begeistert waren, auch weil die Liste ihnen hilft, BookTok-Trends zu erkennen. Der Wunsch, Listen für Österreich und die Schweiz zu erstellen, kam von den Verlagen. Vor allem wünschten sie sich aber Listen für weitere Genres.

Diesem Wunsch sind Sie mit Bestsellerlisten für die Genres Young Adult und Non Fiction gefolgt. 

Tobias Henning: Das sind die beiden Genres, auf die die BookTok-Community einen großen Impact hat. Young Adult ist natürlich das stärkste Genre auf den monatlichen Top-20-Bestsellerlisten, aber auch Non Fiction spielt eine immer größere Rolle. Deshalb haben wir uns entschieden, für diese Genres regelmäßig Bestsellerlisten zu erstellen.  

Bestseller-Aufkleber kennt die Branche ja vom „Spiegel“. Wie läuft das bei BookTok?

Tobias Henning: Der Wunsch von den Verlagen und auch aus dem Handel ist, die BookTok-Bestseller sichtbar machen zu können. In vielen Buchhandlungen sieht man längst schon Tische und Regale mit BookTok-Empfehlungen, jetzt sollen auch einzelne Titel mit Stickern gekennzeichnet werden können.

Stichwort Farbschnitt - viele junge Leser:innen legen erstaunlich viel Wert auf die Gestaltung der Bücher. Verärgern sie die nicht mit einem Sticker, der sich womöglich schlecht ablösen lässt?

Ulrike Altig: Da mache ich mir keine Sorgen. Der Sticker zeugt von Qualität und Seriösität und wertet das Buch auf.

Tobias Henning: Natürlich entscheiden die Verlage, für welche Bücher sie die Sticker nutzen wollen. Es gibt einen Teil in der Community, die großen Wert auf die Gestaltung der Bücher legt, aber der Mehrheit geht es um den Inhalt, um die Empfehlung. Für diejenigen ist es eine gute Orientierungshilfe, wenn sie einen BookTok-Bestseller auf den ersten Blick erkennen. Es visualisiert aber den großartigen Einfluss der gesamten BookTok Community auf den Buchhandel.

​​​​​​​Wie funktioniert der virtuelle Sticker? 

Tobias Henning: Der virtuelle Sticker ist ein sogenannter TikTok-Effekt, den alle TikTok-Nutzer:innen jetzt zum Start verwenden können, wenn sie ein BookTok-Video erstellen. Auf diese Weise können sie zeigen: hier geht es jetzt um einen BookTok-Bestseller. Für uns war das eine wunderbare Idee, weil sie quasi etwas, das außerhalb der Plattform ist, nämlich den Bestseller-Aufkleber, zurück auf die Plattform bringt. Auf TikTok entstehen Trends, die sich über TikTok hinaus entwickeln: Nutzer:innen von TikTok sehen Buchempfehlungen, gehen in die Buchläden und kaufen sich die Bücher. Aus der Plattform heraus haben wir mittlerweile einen ziemlich starken Einfluss auf die Buchindustrie. Mit den virtuellen Stickern gehen wir den Weg sozusagen zurück in die Community. 

Also jeder Creator, jede Creatorin kann ein Buch virtuell mit einem BookTok-Bestseller-Sticker labeln? 

Tobias Henning: Genau. Den Effekt kann jeder kostenfrei nutzen. Die Community ist übrigens total begeistert!

Entwertet der frei verfügbare virtuelle Sticker nicht die physische Variante, für die die Verlage bezahlen?

Tobias Henning: Ganz im Gegenteil. Nur durch das Engagement der BookTok Community können die Bestsellerlisten entstehen - und findet der physische Sticker wieder den Weg zurück auf die Plattform. Auf diese Weise können BookTok Creator:innen jetzt ihre eigenen, ganz persönlichen virtuellen Favoriten labeln, präsentieren und noch mehr inspirieren.

Ulrike Altig: Mit dem BookTok Sticker ist jetzt die Kraft der BookTok Community in jeder Buchhandlung sichtbar. Umso mehr freuen wir uns zum Start, dass auch die Fans auf der Plattform ihre Lieblingsbücher mit dem virtuellen Sticker kennzeichnen und untereinander diskutieren können.

Den physischen BookTok-Bestseller-Sticker können Verlage und Autor:innen erwerben, die über die Rechte der Bücher verfügen. Wann geht es los?

Ulrike Altig: Sofort. Alle, die in der BookTok Bestsellerliste platziert sind, können den Sticker, der über Media Control erhältlich ist, ein Jahr lang nutzen. Wer die Sticker oder Listen verwenden möchte, ruft bei Media Control an – und wir schnüren ihm ein schönes Paket. Der Vertrieb läuft über Media Control.  

Tobias Henning: Für TikTok ist es eine Premiere, dass wir Verleger:innen ein solches Produkt anbieten. Mit Media Control haben wir einen Partner, der in der Buchindustrie etabliert ist. Jetzt sind wir gespannt, wie das Angebot von den Verlagen und von der Community angenommen wird.

Gibt es schon eine Preisliste?

Ulrike Altig: Die Preisgestaltung ist individuell, das kommt auf die Pakete an.

Wird es die Sticker ausschließlich bei Media Control geben?

Ulrike Altig: Erster Ansprechpartner ist Media Control, im Weiteren müssen wir sehen, wie wir mit unseren Sub-Lizenzen den einen oder anderen Partner noch integrieren.