Fachausschüsse des Börsenvereins tagen in Frankfurt

Die Branche muss im Moment viele dicke Bretter bohren

8. November 2023
Sabine Cronau

Eine geplante EU-Verordnung zum Thema „Late Payment“ will Zahlungsfristen zwischen Unternehmen auf 30 Tage begrenzen - und hat die Fachausschüsse des Börsenvereins heute beschäftigt. Alle drei Sparten sind sich einig: Für die deutsche Buchbranche wäre eine solche Regelung fatal. Sorge bereitet aber auch die fehlende Personalie aus Leipzig.

Die drei Vorsitzenden der Fachausschüsse im Frankfurter Haus des Buches

Die Vorsitzenden der drei Fachausschüsse: (v.l.n.r.) Nadja Kneissler (Ausschuss für Verlage), Stephan Schierke (Ausschuss für den Zwischenbuchhandel), Christiane Schulz-Rother (Ausschuss für den Sortimentsbuchhandel)

Die Buchbranche braucht längere Zahlungsziele

Mit der neuen Verordnung, im September von der EU-Kommission vorgeschlagen, sollen vor allem kleinere Unternehmen vor langen Zahlungsfristen ihrer Auftragnehmer geschützt werden. In der Buchbranche jedoch kehren sich die Verhältnisse um, weil sich die Produkte im Buchhandel langsam drehen.

Würden die Zahlungsfristen hier beispielsweise von 90 auf 30 Tage verkürzt, dann müssten Liquiditätskredite über die Banken in Anspruch genommen werden, machte Stephan Schierke, Vorsitzender des Ausschusses für den Zwischenbuchhandel, in einem digitalen Pressegespräch nach dem Sitzungstag in Frankfurt deutlich.

Käufer wie Verkäufer sind sich einig: In der Buchbranche gibt es hier keinen Regelungsbedarf bei den Zahlungsfristen.

Zwischenbuchhändler Stephan Schierke

Besonderheiten wie das Remissionsrecht könnten das Problem verschärfen: Hat eine Buchhandlung nach 30 Tagen nicht genug Geld, um die Rechnung zu bezahlen, würde sie vermutlich einfach die Bücher an den Verlag zurückschicken. Schierke betonte, dass längere Zahlungsziele in der deutschen Buchbranche nötig und auch seit langem üblich seien.

„Käufer wie Verkäufer sind sich einig: In der Buchbranche gibt es hier keinen Regelungsbedarf“, betonte Schierke. Börsenverein und Fachausschüsse hoffen nun auf eine Ausnahmeregelung: „Wir glauben, dass der Kelch an uns vorbeigeht“, so Stephan Schierke zuversichtlich.

Der Buchhandel kann die Kostensteigerungen in der Logistik nicht allein tragen.

Buchhändlerin Christiane Schulz-Rother

Transportkosten klettern weiter

Dem Buchhandel machen im Moment vor allem die steigenden Logistikkosten Sorge. Die Mautgebühr wird zum 1. Dezember angehoben, die CO2-Abgabe ebenfalls erhöht. „Wir hatten in diesem Jahr bereits eine Kostensteigerung bei den Logistikkosten der Barsortimente, spätestens zum 1. Januar steht nun bereits die nächste an“, fürchtet Christiane Schulz-Rother, Vorsitzende des Ausschusses für den Sortimentsbuchhandel. Der Kostendruck im Buchhandel spitze sich dadurch weiter zu.

Die Sortimente appellieren deshalb an die Logistiker der Branche, das Leistungsportfolio der 6-Tage-Lieferung beizubehalten – und an die Verlage, die Buchpreise weiter hochzuhalten und dynamisch anzupassen: „Der Buchhandel kann die Kostensteigerungen in der Logistik nicht allein tragen,“ machte Christiane Schulz-Rother im Pressegespräch deutlich.

Nahost-Konflikt und ein Plakat gegen Antisemitismus

Auch der Nahost-Konflikt spiegelte sich auf der Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung der Fachausschüsse am Vormittag. Die Branche will mit einem neu entworfenen Plakat ein klares Zeichen gegen Antisemitismus setzen – mit der Botschaft: „Kein Platz für Antisemitismus. #NieWiederIstJetzt.“

Das Plakat wird in der nächsten Woche dem Börsenblatt beiliegen (Ausgabe 46 vom 16. November). Zum kostenfreien Download von Plakat und Social-Media-Motiv geht es hier. Börsenvereinsmitglieder können das Plakat hier auch in A2 bestellen

Außerdem stellten sich die Fachausschüsse geschlossen hinter die Videobotschaft von Vizekanzler Robert Habeck, die das Börsenblatt online und in seiner aktuellen Ausgabe von dieser Woche dokumentiert. Mehr dazu hier.

Die Verlage beobachten mit Sorge und Unverständnis, dass es bei der Leipziger Buchmesse bislang noch keine Nachfolge für Oliver Zille gibt.

Verlegerin Nadja Kneissler

Leipziger Buchmesse noch ohne Spitzen-Personalie

Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, verlässt das Unternehmen, wie berichtet, zum Jahresende. Dass seine Nachfolge bisher nicht geklärt ist, erfüllt die Verlage mit „Sorge und Unverständnis“, wie Nadja Kneissler aus dem Ausschuss berichtete. Die Leipziger Messe sei „extrem wichtig“ für die Branche, aber auch für die Stadt Leipzig.

Positionspapier zum Thema Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz setzte einen Schwerpunkt im Ausschuss der Verlage, vor allem generative KI. Wie können die Tech-Konzerne zu Transparenz verpflichtet werden, mit welchen Daten ihre Tools gefüttert werden? Lassen sich Vergütungsregeln durchsetzen? Und wie können Verlage Nutzungsvorbehalte ihrer Texte juristisch eindeutig platzieren? Daran arbeitet die Branche im Moment.

Der Börsenverein hat bereits ein Positionspapier zum Thema KI und ein FAQ entwickelt, beides ist hier abrufbar. Europaparlament, Rat und EU-Kommission verhandeln derzeit im so genannten Trilog über die finale Ausgestaltung des sogenannten AI Acts (Entwurf einer Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz). Die Branche hofft, dass hier noch nachgebessert wird, etwa in Sachen Transparenzpflicht.

Erst Fake-Ratgeber, jetzt auch Fake-Bestseller

Me-too-Produkte, die mit Künstlicher Intelligenz erstellt werden, bereiten den Ratgeberverlagen schon länger Sorge (mehr dazu hier). Mittlerweile sind auch andere Marktsegmente von schlechten Kopien betroffen.

Beispielswiese werden Cover von belletristischen Bestsellern wie „Eine Frage der Chemie“ abgekupfert – um Notizbücher damit einzubinden. Kund:innen würden denken, dass es sich um eine günstige Taschenbuchausgabe handele, so Nadja Kneissler, Vorsitzende des Ausschusses für Verlage – ein Täuschungsmanöver, das auch die großen Online-Händler nicht gerade begeistere. Kneissler appellierte an alle Verlage, wachsam zu sein und die Rechtsabteilung des Börsenvereins zu kontaktieren, wenn sie von solchen Billigkopien betroffen seien.

Strukturelle Verlagsförderung und KulturPass

Der Haushaltsausschuss des Bundestags berät derzeit den Budgetentwurf für 2024 – und der Börsenverein hat bei der Politik in Berlin klare Botschaften platziert: Er fordert eine strukturelle Verlagsförderung und die Fortführung des Kulturpasses, der für den Buchhandel ein „Erfolgsmodell“ sei, wie Christiane Schulz Rother betonte. „Wichtig ist: Wir brauchen beides. Auch wenn wir wissen, dass die Budgetverhandlungen in diesem Jahr nicht vergnügungssteuerpflichtig sind“, ergänzt Nadja Kneissler.

Von KI bis KulturPass, von Fake-Bestseller bis Messe-Personalie – im Moment muss die Branche viele dicke Bretter bohren. Das wurde nach dem langen Sitzungstag deutlich. Davor allerdings, meint Nadja Kneissler beispielsweise beim Thema KI, müsse man keine Angst haben: „Man braucht nur einen dicken Bohrer.“