Interview mit Michael Lemling

"Am Ende wollen sie alle zu uns in den Laden kommen"

7. April 2021
Christina Schulte

Die Buchhandlungen sind seit rund einem Monat wieder geöffnet. Im Interview analysiert Michael Lemling, Geschäftsführer der Buchhandlung Lehmkuhl, die wirtschaftliche Situation seines Unternehmens, die Veränderungen im Kundenverhalten und formuliert eine klare Forderung an die Politik.

Sie haben nun seit einem Monat wieder geöffnet. Wie fällt Ihre Bilanz im Vergleich zur Schließungszeit und zur vorpandemischen Zeit aus?
Im Januar und Februar haben wir - trotz großen Engagements der Belegschaft und unserer treuen Stammkundschaft - kaum mehr als die Hälfte unseres normalen Umsatzes erwirtschaften können. Im März konnten wir dann endlich wieder zeigen, was in unserem Laden steckt, und die Kunden haben es dankbar angenommen. Wir konnten tatsächlich an unseren pandemiefreien Umsatz im März 2019 anknüpfen, trotz einer deutlich geringeren Kundenfrequenz. Unser Eindruck ist: Unsere Kunden kommen zwar seltener, kaufen aber bewusster und dann bei einem Besuch auch deutlich mehr ein. Das merken wir besonders in der Kinderbuch-Abteilung. Da werden dann nicht nur die Buchgeschenke für Ostern eingekauft, sondern auch für die anstehenden Geburtstage gleich mit. Unser Durchschnittsbon liegt zur Zeit um einige Euro über dem Kassenbon vor Corona.

Click & Collect hat den Buchhändler*innen Umsätze trotz geschlossener Ladentüren ermöglicht. Wie entwickelt sich dieses Angebot, nachdem Sie wieder geöffnet haben?
Unser Onlineshop hat heute eine ganz andere Bedeutung als vor der Pandemie. Während der Lockdown-Zeiten schossen die Kundenbestellungen in Höhen, die wir dort noch nicht gesehen hatten. Als es möglich wurde, die online bestellten Bücher an unserer Eingangstür abzuholen, schwenkten mehr als 80 Prozent der Shopkunden von Versand auf Click & Collect um. Die Onlinebestellungen zur Abholung im Laden liegen heute über dem Dreifachen des Volumens vor Pandemiezeiten. Diesen Bestellweg haben also einige Kunden für sich neu entdeckt. Das Schöne daran ist: Egal wie die Kunden bestellen, ob online, telefonisch oder per Mail, am Ende wollen sie alle zu uns in den Laden kommen und dort ihre Bücher abholen.

Wie ist die Stimmung bei Ihren Kund*innen?
Die Stimmung ist hervorragend, zumal die Buchhandlungen zu den wenigen kulturellen Orten gehören, die sie derzeit besuchen können. Außerdem: Das Stöbern im Laden ist eben doch etwas anderes als das Surfen im Shop. Auf unserem Flügel die wichtigsten literarischen Neuerscheinungen des Frühjahrs zu sehen, ist für viele ein lang vermisster Anblick. Umso höher sind dann die Bücherstapel, die die Kund*innen zur Kasse tragen. In den ersten Tagen nach der Wiederöffnung und an Samstagen kam es immer wieder zu kleineren Wartezeiten. Eigentlich dürfen wir bei unserer Ladengröße 28 Personen einlassen. Wir haben die Frequenz aber freiwillig auf 20 reduziert, da wir bei dieser Auslastung das Gefühl haben, dass alle ausreichend Platz und Abstand haben.

Die Konfusion in der Bevölkerung ist ziemlich groß.

Michael Lemling

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