7 Monate mit dem Lastenrad durch Deutschland

"Will das Buch aus seiner Bubble rausholen"

30. Januar 2025
Kai-Uwe Vogt

Lennart Schaefer plant ein Abenteuer: Ab März will er mit dem Fahrrad durch ganz Deutschland touren und mit Menschen über Bücher sprechen. Der ehemalige Nachwuchssprecher des Börsenvereins und Social-Media-Profi will seine Begegnungen in Form von Videos und Podcasts dokumentieren. Im exklusiven Interview mit dem Börsenblatt stellt er sein Projekt der Literadtour vor. 

Lennart Schäfer

Lennart Schäfer

 Dein Plan ist, mit dem Lastenrad quer durch Deutschland zu fahren, alle Bundesländer zu besuchen, um fürs Lesen zu werben. Was genau ist geplant bei deiner Literadtour?

Lennart Schaefer: Ich fahre in diesem Jahr als Buchbotschafter mit dem Lastenrad zwischen der Leipziger und Frankfurter Buchmesse durch ganz Deutschland und besuche in diesen sieben Monaten verschiedene Literaturorte. Auf meiner Reise will ich die Literaturlandschaft in Deutschland zeigen, indem ich Verlage, Buchhandlungen, Autor:innen, Illustrator:innen und Literaturvermittler:innen besuche und darüber auf Social Media berichte. Dabei werde ich Interviews führen, Podcasts aufnehmen, Videos drehen und auf den Plattformen Instagram, TikTok und YouTube Inhalte posten. Ich möchte aber nicht nur die Buchbegeisterten ansprechen, sondern auch zusätzlich die, die es vielleicht noch werden. Mit Schulbesuchen schaffe ich es zum Beispiel, das Buch aus seiner Bubble herauszuholen. Auch mit dem Reise-Aspekt spreche ich eine weitere Zielgruppe an.

Kontakte in die Buchbranche hast du wahrscheinlich viele, ich könnte mir vorstellen, dass Schulbesuche und Events an anderen Orten schwieriger zu organisieren sind. Wie weit sind deine Pläne?

Lennart Schaefer: Außerhalb der Branche ist Leseförderung ein Thema, das großen Anklang findet und mit dem man offene Türen einrennt. Zum Beispiel gibt es den Lastenradhersteller Ca Go Bike, der direkt gesagt hat: "Ja klar, wir unterstützen dich! Das Lastenrad bekommst du von uns gestellt und wir branden es mit deinem Logo!" Das ging schnell und unkompliziert und auch bei den Schulen ist es so. Das Besondere bei meiner Tour ist ja, dass ich nicht nur die Großstädte besuche, wo viele Leseförderungsaktionen stattfinden, sondern auch in die Dörfer und Kleinstädte radel, um dort diese Lücke zu füllen. 

Du wirst also monatelang mit deinem Lastenrad unterwegs sein? Oder planst du die Ausflüge etappenweise und machst immer wieder Station in Hamburg?

Lennart Schaefer: Tatsächlich werde ich sieben Monate nonstop unterwegs sein mit dem Lastenrad. Ich gönne mir über Himmelfahrt vier Tage Pause mit meiner Freundin, es gibt eine Hochzeit zwischendurch, da muss ich hin, da habe ich zwei Tage Pause. Aber sonst gibt es keine Unterbrechung unterwegs und ich schummle auch nicht und fahre eine Strecke mit der Bahn, denn ich will natürlich auch immer das Lastenrad dabeihaben und kann das mit der Bahn gar nicht mitnehmen. Die Route führt mich aber insgesamt zweimal in die Heimat nach Hamburg.

An allen Ecken und Enden gibt es Unterstützung.

Lennart Schaefer

Du bist aktuell beim Oetinger Verlag beschäftigt, zwar nicht mehr in Vollzeit, aber vielleicht musst du mal erklären, wie man das unter einen Hut kriegt: Arbeit und sieben Monate auf Tour zu gehen? Was sagt eigentlich dein Arbeitgeber dazu?

Lennart Schaefer: Genau, ich bin noch im Minijob bei Oetinger und kümmere mich seit Anfang November 2024 in Vollzeit um die Literadtour. Wenn man so will, habe ich im Minijob die besten Dinge aus meinem vorigen Vollzeitjob übernommen, das heißt, ich bin bei den Buchmessen dabei, moderiere Veranstaltungen und kümmere mich um die Technik im Theater der Verlagsgruppe, dem Oetinger Kulturdeck. Es lässt sich gut einrichten, dass ich z. B. bei den Buchmessen, die den Rahmen für meine Tour bilden, für Oetinger Veranstaltungen moderiere. Unterwegs treffe ich - logischerweise - auch Oetinger-Autor:innen und Illustrator:innen und überhaupt war der Verlag sehr unterstützend und schwer begeistert von der Idee. Aber um es ganz klarzustellen: Es ist nicht der Verlag, der mich auf Reise schickt. Ich möchte auf meiner Literadtour alle Genres und Altersgruppen abdecken, Kinder wie Erwachsene.

Neben der aufwendigen Organisation musst du dich auch um das Sponsoring kümmern, moderieren, weite Strecken fahren und dann willst du das Ganze auch intensiv auf Social Media spielen und in Form eines Podcasts begleiten. Welche Unterstützung hast du?

Lennart Schaefer: Ich habe mir schnell Hilfe gesucht. Das ist zum Beispiel eine befreundete Kollegin von Oetinger, mit der ich einen wöchentlichen Jour fixe habe. Sie hilft mir mit dem Zeitplan. Eine alte Schulfreundin, die jetzt Grafikerin ist, hat das Logo entwickelt, macht die ganzen Grafiken für Social Media, Animationen für die YouTube-Videos und erstellt Flyer für Veranstaltungen. Die Agentur Literaturtest teilt die Literadtour über ihren E-Mail-Verteiler, und ich kann auf der future!publish über meine Pläne und das Thema Literaturvermittlung auf Social Media sprechen. Außerdem bin ich dem Börsenverein sehr dankbar, der mich von Anfang an unterstützt hat, und weiteren Weggefährten aus der Buchbranche, die mit Rat und Tat zur Seite stehen. Also an allen Ecken und Enden gibt es da Unterstützung, aber natürlich ist das Projekt dennoch sehr … herausfordernd.

Beim Fahrradfahren hat man das perfekte Tempo.

Lennart Schaefer

Es hört sich auch nach wahnsinnig viel Arbeit an! Was treibt dich an, das Ganze auf dich zu nehmen?

Lennart Schaefer: In meinen zwei Jahren als Nachwuchssprecher beim Börsenverein habe ich immer wieder mit anderen über das Image der Branche gesprochen und diese Kämpfe in der Familie, wenn man erzählt, man möchte in die Buchbranche gehen. Oft heißt es dann: Hat das überhaupt eine Zukunft? Mir ist wichtig, neben den negativen Meldungen zu zeigen, was wir für eine großartige Branche haben, was für ein – der schlechte Wortwitz muss erlaubt sein - vielseitiges Produkt. Ich glaube, dass viele, die behaupten: "Lesen ist nichts für mich!", einfach nur noch nicht auf das richtige Buch gestoßen sind. Denen möchte ich ein zukünftiges Lieblingsbuch und etwas Lesemotivation mitgeben. Aber natürlich ist da ganz persönlich auch einfach eine Abenteuerlust und eine große Neugierde auf die Begegnungen, die ich haben werde! Ich bin nach dem Abi 2017 schon mal drei Monate allein mit dem Fahrrad durch Europa gereist. Das war sehr inspirierend. Dieses Mal kommen zu den zufälligen Begegnungen ja noch die geplanten Begegnungen mit Buchmenschen hinzu. Und natürlich ist es eine sehr gesunde Kombination aus Bewegung und Inhalten, Kopfarbeit und Körperarbeit.

Guter Punkt. Du könntest ja auch mit dem Zug reisen, mit dem Deutschlandticket rumtingeln, aber du nimmst lieber das Lastenrad. Warum?

Lennart Schaefer: Weil man beim Fahrradfahren das perfekte Tempo hat! Ich bin schnell genug, um in sieben Monaten kreuz und quer durch Deutschland zu fahren. Das sind über 6.000 Kilometer Strecke, aber gleichzeitig sehe ich viel mehr von Deutschland, als wenn ich bei 200 Sachen aus dem Zugfenster schaue. Außerdem bin ich mir sicher: Wenn ich mit meinem riesengroßen, gebrandeten Lastenrad unterwegs bin, werden mich viele Menschen ansprechen. Ich bin gespannt, welche Gespräche über Bücher so entstehen werden.

Über die LiteradTour

  • Zwischen der Leipziger Buchmesse (März 2025) und der Frankfurter Buchmesse (Oktober 2025) fährt Lennart Schaefer mit dem Lastenrad durch ganz Deutschland.
  • In Städten und Dörfern spricht er mit Schulklassen, Erwachsenen und besucht Verlage, Buchhandlungen und weitere Literaturorte.
  • Die Finanzierung erfolgt über Kooperationen, Fördermittel, Spendengelder und ein Crowdfunding, das im März startet.
  • Lennart Schaefer bloggt und berichtet auf den Sozialen Medien TikTok, Instagram und YouTube (@LITERADTOUR) über seine Reise und Begegnungen.
  • Auf boersenblatt.net schreibt er von unterwegs außerdem eine monatliche Kolumne. 
  • Mehr Informationen gibt's in einem Factsheet.
Logo Literadtour

Eine Reise zum Thema Buch braucht auch ein Buch über die Reise.

Lennart Schaefer

Wie finanzierst du das Ganze? Du benötigst Unterkünfte und hast sicher viele weitere Kosten, die du decken musst?

Lennart Schaefer: Die Finanzierung ist eine der größten Herausforderungen bei diesem Projekt. Zusätzlich zu den Technikanschaffungen muss ich unterwegs von irgendetwas leben. Die Finanzierung speist sich aus mehreren Töpfen, etwa durch Kooperationen mit Verlagen und Buchhandlungen. Ganz wichtig ist mir, dass ich kein einfaches Sponsoring möchte: Betrag X für ein Logo auf der Seite und damit hat es sich. Mir geht es um eine authentische Reise mit authentischen Begegnungen, bei denen ich Menschen oder Literaturorte porträtiere und über Bücher spreche, die mich begeistern. Ich suche also nach inhaltlichen Kooperationen. Für Vorschläge bin ich offen und freue mich auch über Übernachtungsmöglichkeiten, vor allem wenn meine Kooperationspartner sie organisieren. Melden können sich alle Interessierten unter lennart@literadtour.net. Bei der Finanzierung kommt noch eine staatliche Förderung hinzu, und ich suche gezielt nach Stiftungen, die ein Kulturinteresse haben. Anfang März starte ich zusätzlich eine Crowdfunding-Kampagne und die Literadtour organisiere ich als gemeinnützige UG, um Spendenbescheinigungen ausstellen zu können.

Lass uns in die Zukunft schauen: Wie geht es nach der Reise weiter?

Lennart Schaefer: Eine Reise zum Thema Buch braucht auch ein Buch über die Reise – ich möchte über meine Erfahrungen ein Buch schreiben und außerdem nach der Reise eine Dokumentation veröffentlichen. Dafür werde ich entsprechend unterwegs filmen. Ich bin mir sicher, dass es so viel zu erzählen und zu berichten gibt über das, was ich während der Reise erlebe, dass ich das von unterwegs gar nicht alles abbilden kann, was ich da erlebe: Von der Outdoor-Erfahrung, wie es Deutschland geht bis hin zur Ost-West-Thematik usw.

Gibt es für das Buchprojekt schon einen Verlag?

Lennart Schaefer: Nein, das ist noch Zukunftsmusik. Deswegen erwähne ich es hier auch (lacht).