Wir sind Teil des Problems
Die Buchbranche wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht. Sie muss die Lebenswelt der Jüngeren ernst nehmen – anstatt sie abzuwerten, meint Verlegerin Marianne Rübelmann.
Die Buchbranche wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht. Sie muss die Lebenswelt der Jüngeren ernst nehmen – anstatt sie abzuwerten, meint Verlegerin Marianne Rübelmann.
In der Buchbranche schmücken wir uns häufig damit, etwas für die Gesellschaft zu tun, Kultur zu fördern. Unsere Produkte unterliegen der Buchpreisbindung und gehören damit zu einem sehr kleinen Kreis von Erzeugnissen, denen ein besonderer gesellschaftlicher und nicht nur wirtschaftlicher Wert zugesprochen wird. Als Jugendbuchverlag sind wir uns der Verantwortung bewusst, die die Rolle als Geschichten- und Wissensvermittler mit sich bringt. Als Gesellschaft gelingt uns diese Vermittlung aber immer schlechter, wie die vielen Lesestudien zeigen. Woran liegt das?
Die lebensweltliche Verankerung von Geschichten und Darreichungsformen kann nicht genug betont werden. Anstatt uns in Kulturpessimismen und Untergangsrhetorik zu verlieren, müssen wir uns bewusst machen, in welcher Hinsicht wir selbst Teil des Problems sind. Mantras à la »Böse Techkonzerne, böses TikTok, YouTube, Fortnite« helfen hier herzlich wenig. Vielmehr sollten alle Branchenteilnehmer genauer hinsehen, welche Faszination von diesen Angeboten ausgeht und welche positiven Effekte sie auch auf die Lesemotivation haben könnten. Es muss die Frage erlaubt sein: Wie werden wir als Buchbranche Teil eines Fortschrittsprozesses bei der Rezeption von Inhalten – anstatt uns immer und immer wieder auf denselben »Rückbesinnungskurs« zu begeben, der uns doch gerade genau dorthin gebracht hat, wo wir jetzt sind: in die Rat- und Machtlosigkeit einer Generation gegenüber, die sich eben nicht mehr bedingungslos für geschriebene Inhalte interessiert? Es muss das oberste Ziel sein, die Lebenswelt ebenjener Generation ernst zu nehmen, aufzugreifen und sich in ihr zu bewegen, anstatt sie als »Zeitgeist«, »Populärkultur« oder durch andere Zuschreibungen abzuwerten.
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