Hamburger Bibliotheksdirektorin mit ostdeutscher Biographie

Gabriele Beger ist tot

21. Mai 2024
Redaktion Börsenblatt

Als erste Frau leitete sie von 2005 bis 2018 die traditionsreiche Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky: Am 6. Mai, wenige Tage nach ihrem 72. Geburtstag, ist Gabriele Beger nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.

Gabriele Beger

Als erste Frau in der fast 550-jährigen Geschichte der Bibliothek leitete Gabriele Beger von 2005 bis 2018 die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky. Als Beiratsvorsitzende des Hamburger Bibliothekenverbunds gestaltete sie die Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Bibliotheken der Stadt, schreibt Robert Zepf, Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, in einem Nachruf im Blog der Universität.

Gabriele Beger habe ihr ganzes berufliches Leben der Sache der Bibliotheken gewidmet: Am 24. April 1952 in Berlin-Treptow geboren, begann sie 1969 eine Ausbildung zur Bibliotheksassistentin und war von 1971 bis 2005 an der Berliner Stadtbibliothek tätig. Dort absolvierte sie berufsbegleitend zunächst ein bibliothekarisches Studium an den Fachschulen Leipzig und Berlin und anschließend von 1984 bis 1990 ein wissenschaftliches Studium der Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. In dieser Zeit war sie wissenschaftliche Assistentin des Direktors, Heinz Werner, einem der führenden Bibliotheksjuristen der DDR, und trat 1992 dessen Nachfolge als Direktorin der Berliner Stadtbibliothek an. 1996 führte sie die Einrichtung in die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin, deren Vorstand sie bis zum Wechsel nach Hamburg angehörte.

Ab 1996 lehrte sie auch wie zuvor Werner am Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität, später ebenso als Professorin an der FH Potsdam und als Lehrbeauftragte an der Universität Hamburg. 2002 wurde sie an der Humboldt Universität Berlin über den Interessenkonflikt zwischen Urheberrecht und elektronischen Bibliotheksangeboten promoviert, einem Thema das sich als ein roter Faden durch ihre berufliche Tätigkeit zog, so Zepf weiter.

Als Hamburger Bibliotheksdirektorin mit ostdeutscher Biographie sei sie auch auf nationaler Ebene eine prägende Persönlichkeit für das Zusammenwachsen der Bibliotheken in Ost und West gewesen. Sie habe sich für die Entwicklung des Deutschen Bibliotheksverbands zu einer wirksamen Lobbyorganisation für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken engagiert. 2006 bis 2009 war sie Bundesvorsitzende des dbv, außerdem seine erste Ethikbeauftragte.

"In Erinnerung bleiben werde Gabriele Beger jedoch vor allem als engagierte Bibliotheksjuristin, die sich im Zeitalter der Digitalisierung erfolgreich für Open Access und umsetzbare Regelungen im Urheberrecht eingesetzt hat. Dafür wurde ihr 2018 vom Bundespräsidenten – überreicht von der Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank – das Bundesverdienstkreuz erster Klasse verliehen", so Zepf weiter.

"Energiegeladene, charismatische und manchmal auch unkonventionelle Persönlichkeit"

Robert Zepf fährt fort: "Als Vorsitzende der Rechtskommission und des Fachausschusses Urheberrecht im Deutschen Kulturrat beriet sie den Deutschen Bundestag und das Bundesministerium bei der Gestaltung eines fairen Ausgleichs der Interessen. Als Vertreterin der Bibliotheken in der Kommission Bibliothekstantieme der Kultusministerkonferenz vertrat sie sehr engagiert und kompetent die Sache der Bibliotheken und Hochschulen und verstand es, die Verhandlungen konstruktiv und ergebnisorientiert zu führen."

Auch zur Neugestaltung der rechtlichen Grundlagen des Hamburgischen Bibliothekswesens habe sie maßgeblich beigetragen. Über die Gestaltung der Rechtsnormen hinaus habe sich Gabriele Beger auch in der Praxis für die Ausgestaltung des Urheberrechts engagiert: als Autorin bibliotheksjuristischer Standardwerke, aber auch als Verantwortliche für den Open-Access-Universitätsverlag Hamburg University Press, dessen Erfolg ihr immer am Herzen gelegen habe. "Mit im Fokus ihres Engagements war es dabei immer, mehr Menschen für bibliothekarische Rechtsfragen zu begeistern und das juristische Know-how im Bibliothekswesen zu stärken. So motivierte sie zahlreiche jüngere Juristinnen und Juristen, sich im Bibliothekswesen zu engagieren, und konnte so bei ihrem Ruhestand den Staffelstab eine neue Generation weitergeben."

Viele Bibliotheken, Hochschulen, Wissenschafts- und Kultureinrichtungen habe sie durch ihre Mitarbeit in Stiftungsgremien und Beiräten aktiv unterstützt. Neben ihrem Engagement für Wissenschaft und Hochschulen war Gabriele Beger aber auch stets der Auftrag der Stabi als öffentliche wissenschaftliche Bibliothek und Landesbibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg wichtig.

Mit dem von ihr initiierten Buchpreis "Hamburg Lesen", dessen Jury sie zehn Jahre lang angehörte, "machte sie öffentlich sichtbar, um welche wunderbaren Titel die Hamburg-Sammlung der Stabi jedes Jahr bereichert wird", so Zepf. Aber auch das historische Kulturerbe sei ihr wichtig gewesen: Mit der Aktion "Hamburg ohne Worte" weckte sie das öffentliche Bewusstsein für den Erhalt des durch Säurefraß gefährdeten historischen Kulturguts, das sie auch durch groß angelegten Digitalisierungsprojekte der Öffentlichkeit zugänglich machte – durch das Programm "Hamburger Kulturgut im Netz" sei so eine umfassende, weltweit rund um die Uhr frei zugängliche digitale Hamburg-Bibliothek mit einem der bedeutendsten digitalen Zeitungsportale Deutschlands entstanden.

Zepf schließt: "Mit Gabriele Beger verlieren die Bibliothekarinnen und Bibliothekare Hamburgs, Berlins und Deutschlands eine engagierte, allseits beliebte und fachlich geschätzte Kollegin, die es durch ihre Persönlichkeit immer wieder verstanden hat, für die Bibliotheken neue Freundinnen und Freunde, Unterstützung und Förderung zu gewinnen – und der es als Anwältin des Bibliothekswesens mit Sachkenntnis, Charme und der Fähigkeit zum Kompromiss im rechten Moment immer wieder gelungen ist, die Belange der Wissenschaft, der Bibliotheken und ihrer Nutzenden in schwierigen und manchmal zähen Verhandlungen erfolgreich zu vertreten."

Das Kollegium der Stabi erinnere sich mit Respekt und Zuneigung an eine Direktorin, die die Bibliothek auf vielfältige Weise prägte, "die nach außen stets elegant und seriös auftrat und nach innen durch ihre energiegeladene, charismatische und manchmal auch unkonventionelle Persönlichkeit für Motivation und Freude an der Arbeit sorgte".

"Eine Powerfrau, die viel bewegt hat"

Ein Nachruf von Nikolaus Bernau über die "Powerfrau, die viel bewegt hat" findet sich auch im Berliner "Tagesspiegel". Der Beitrag konzentriert sich auf ihre Zeit in Berlin. Von 1993 bis 2005 leitete Beger die Berliner Stadtbibliothek. Seit 1997 führte sie im Gespann mit Claudia Lux auch die neu aus der Amerika-Gedenkbibliothek, der Stadtbibliothek und später auch der Senatsbibliothek begründete Berliner Zentral- und Landesbibliothek.