Bei der Lektüre von Zeitungsartikeln zu einem Thema, bei dem man selbst in der Materie steckt, muss man leider oft feststellen, wie viel Halbwissen auch in eigentlich ernst zu nehmenden Medien so verbreitet wird. Ein (un)gutes Beispiel ist der Kommentar von Jan Wiele in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 15. Dezember.
Der Autor schreibt über angeblich zunehmende Unzuverlässigkeiten im deutschen Zwischenbuchhandel. Anlass sind offensichtlich Probleme bei einem bestimmten Buchgroßhändler, auf den auch näher eingegangen wird. Bei diesem knirscht es tatsächlich im Gebälk, was aber nichts daran ändert, dass es noch zweieinhalb weitere Großhändler gibt, bei denen es so hervorragend funktioniert wie eh und je. Von "Schwächeln" kann da keine Rede sein. Für die Buchhandlungen, die ausschließlich bei dem einen kriselnden Großhändler ihre Ware beziehen, ist das in der Tat unschön. Aber es gibt ja noch die besagten anderen und viele Buchhandlungen bestellen bei zwei oder gar drei Großhändlern parallel. Von "so brüchigen Lieferketten" kann keine Rede sein! Zusätzlich bieten viele Verlage "Weihnachts-Schnellschienen", die den Direktbezug auf 2 bis 3 Tage verkürzen.
Besonders ärgerlich ist die Aussage, Amazon liefere "tatsächlich schneller"! Da wird ein Mythos als Wahrheit verkauft, der einfach nicht stimmt: Üblicherweise bekommen Kund:innen, ihre (häufig bis 18 Uhr) in der Buchhandlung bestellten Bücher am nächsten Morgen zur Ladenöffnung - das ist oftmals schneller als Amazon!
Ganz am Schluss wird noch eine weitere Mär verbreitet: dass es "die 'gut sortierte Buchhandlung' ja kaum noch gibt". Leider stimmt es, dass mehr Buchhandlungen schließen als neu eröffnet werden – eine traurige Folge von unzureichenden wirtschaftlichen Bedingungen im Bucheinzelhandel. Dass damit "von rühmlichen Ausnahmen abgesehen" keine Kuration des Sortiments mehr stattfindet, ist allerdings weitab der Realität! Leider sind die alljährlichen Bewerbungen auf den Deutschen Buchhandlungspreis nicht öffentlich zugänglich. Sonst könnte man den Autor des Artikels mal darauf verweisen, wie viele hundert kleiner unabhängiger Sortimentsbuchhandlungen es gibt, die nicht nur ein kuratiertes Sortiment bieten, sondern in ihrer Stadt Leseförderung betreiben, Lesungen und andere Veranstaltungen organisieren und nebenbei noch einen sozialen Treffpunkt bieten. Das wäre vielleicht mal einen Kommentar wert! Statt einer verzerrten Darstellung, die darauf hinausläuft, Buchhandelskund:innen müssten ihre Solidarität mit den strauchelnden Vertretern einer aussterbenden Spezies mit vermindertem Service oder gar Leere unterm Weihnachtsbaum büßen.
Vielen Dank für diesen tollen und sehr lesenswerten Beitrag. Auch Ihr Hinweis auf die Leistungen vieler Buchhandlungen und der Bezug zum Buchhandlungspreis sind wichtige Richtigstellungen/Ergänzungen. Nur: kommt das außerhalb unserer Blase an, wenn es im BöBla steht? Wollen Sie mit Herrn Wiele von der FAZ Kontakt aufnehmen, damit er sich ein Bild aus der Praxis machen kann und vielleicht sogar eine "Korrektur" vornimmt?
er beschreibt die Situation sehr treffend und stimming, in allen Bereichen.
Und dass Du Dir mitten im Endspurt des Weihnachtsgeschäfts die Zeit dafür genommen hast, zeigt einmal mehr dein/das unermüdliche Engagement der eigenständigen BuchhändlerInnen - auch dafür danke, denn ich bin sicher:
Du sprichst damit für uns ALLE!
Jens Bartsch - Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln