Virtual Reality auf der Frankfurter Buchmesse

Im Film sein

24. Oktober 2016
Redaktion Börsenblatt
Virtuelle Realität als Erzählmedium zwischen Film und Computerspiel – das war der technologische  Schlager auf der diesjährigen Buchmesse. Drei Ortsbesichtigungen.

Ein Highlight auf der Frankfurter Buchmesse war die Virtual Reality (VR) – eine Technologie, die zwar schon älter als das Internet ist, aber erst jetzt in das Stadium der Massentauglichkeit eingetreten ist. In mehreren Buchmessearealen konnte man in dreidimensionale Wirklichkeiten eintauchen und zum Teil verblüffende Erfahrungen machen. Das Gefühl haben, sich selbst in einem (virtuellen) Raum zu befinden und sich in ihm zu bewegen, entweder zu Fuß, oder indem man sich über Distanzen hinweg beamt, oder auch im Flug. Manchmal sogar im freien Fall, wenn in die virtuelle Raumprojektion ein „Lift-Effekt“ eingebaut wurde. Dieses Erlebnis einer Raumillusion nennt man Immersion. Sie unterscheidet sich von allen anderen 3-D-Projektionen dadurch, dass man sich selbst als Teil des dreidimensionalen Raums wahrnimmt und auch mit Gegenständen oder Figuren in dieser virtuellen Umgebung interagiert.

Anstehen musste man vor der "begehbaren" Vorschau, die VLB-TIX, die digitale Titelinformations-Plattform der MVB, in Halle 3.1 eingerichtet hatte. Hier konnte man sich mit Hilfe einer VR-Brille in einem Haus mit mehreren Räumen bewegen, gezielt Bücher aus dem Regal ziehen und aufschlagen, Kalenderblätter von der Wand reißen und mit aufgesetzten Kopfhörern Lese- und Hörbuchbeispiele hören. Um ein Buch "in die Hand zu nehmen", brauchte man natürlich zusätzliche digitale Greifer, zwei Fernbedienungen, mit denen man virtuell eingeblendete Hände öffnen und schließen konnte, und die zugleich einen Knopf hatten, mit dem man sich im Raum vor- und zurückbeamen konnte, zum Beispiel direkt vor eine Bücherwand. Die Illusion des Raums war nicht ganz perfekt, alles erscheint comic-bunt und noch ziemlich pixelig. Aber dies ist auch erst der Anfang. In der Warteschlange unterhielt sich schon ein Vater mit seinem Sohn darüber, wie es wohl sein wird, wenn man mit der VR-Brille shoppen geht.

Auch im Gastland-Pavillon wurde VR geboten: In einem etwas versteckten Winkel wurde dort der berühmte Pavillon Mies van der Rohes für die Weltausstellung 1929 in Barcelona an die Wand projiziert. Setzt man sich ein spezielles Headset auf, das mit seinen Fortsätzen wie ein Insektenkopf aussieht, weitet sich die Projektion zu einem Raum, der sich um einen schließt, und in dem man sich bewegen kann. Hin und wieder muss man einem Pfeiler oder einer Wand ausweichen. Erarbeitet wurde das „immersive Environment“ mit dem Titel „Collateral Rooms“ von dem belgischen Unternehmen CREW, das an der Schnittstelle von Kunst und neuen Technologien operiert. In der 3-D-Architektur passen sich alle Elemente – Wände, Pfeiler, Fenster – der Perspektive des Betrachters an. Durch die Fenster des Pavillons sieht man wechselnde Hintergründe: einen Strand oder einen Fluss. Die Bilder sind entweder Computer-Graphiken, Internetbilder oder gefilmte Bilder.

Eine weitere VR-Installation im Gastland-Pavillon ist die „Fernweh-Oper“, die eine tragische Beziehungsgeschichte in den Weiten des Alls inszeniert: Asteria, eine Sonne im Sternbild Jungfrau, singt über den astronomischen Abstand zwischen ihr und dem verlorenen Geliebten. Sie schwillt zu einem roten Riesen an, erreicht in der Fantasie des Geliebten einen glühenden Höhepunkt, fällt in sich zusammen und verwandelt sich schließlich in ein schwarzes Loch. Schwerkraft besiegt Anziehungskraft.

Die Vielfalt von VR-Filmen und -Animationen konnte man bei "The Arts+" erleben. Für diese Kreativ-Messe in der Messe hatte der "Erste Deutsche Fachverband für Virtual Reality" (EDFVR) gemeinsam mit mehreren Partnern (wie dem Cologne Game Lab) insgesamt 14 Produktionen versammelt: von "A Night Walk on the Berlin Wall" über eine Reise in die australische Wüste ("Collisions") bis hin zu einer virtuellen Begehung der unmöglichen Räume des Künstlers C. Escher ("The Impossible Room"). In dem Kurzfilm "Sonar" unternimmt man aus der Perspektive einer Drohne eine Expedition auf einen unbekannten Asteroiden. Wildgezackte Felsen und gähnende Schlünde können empfindliche Gemüter erschrecken, ebenso wie die plötzliche Empfindung, ins Bodenlose zu fallen. Keine Übung für Anfänger, eher was für erfahrene Gamer.

roe