What's right? Was rechts ist und was richtig: Alem Grabovac weiß es. Im Januar trat der Journalist der Berliner "tageszeitung" eine Kampagne gegen den Schriftsteller Simon Strauß los, die den Namen "Debatte" nicht ansatzweise verdiente, die Leser der "taz" aber wochenlang beschäftigte. Mit wenigen Federstrichen schloss er Strauß ans Vokabular der Neuen Rechten an und stilisierte ihn zu einem ihrer raunenden Vordenker. Belege? Nur solche, die den handwerklichen Pfusch Grabovacs dokumentierten: seine Unfähigkeit, zwischen dem Autor eines Romans und seiner literarischen Hauptfigur zu unterscheiden, seine Neigung, Artikel aus neurechten Publikationen nur so weit zu lesen, wie sie in sein Konzept passen, gepaart mit der denkfaulen Überheblichkeit derjenigen, die genau wissen, wo man politisch und moralisch zu stehen hat. Savonarolas Kinderpolizei lässt grüßen.
Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres blamierten sich deutsche Feuilletons in der Auseinandersetzung mit jenen Rechtsintellektuellen, die sich rund um die Zeitschriften "Sezession" und "Tumult" und den Verlag Antaios gesammelt haben. Im Sommer 2017 katapultierte die Phalanx der namhaften deutschen Sachbuchkritiker Rolf Peter Sieferles Essay "Finis Germania" mit einem Sperrfeuer an Verrissen auf Platz 7 der "Spiegel"-Bestsellerliste, wo er dann nicht stehen durfte. Die Zensur des Nachrichtenmagazins haben viele Sortimentsbuchhändler, die die "Spiegel"-Bestseller präsentieren, dankbar angenommen. Unbeantwortet blieb dabei die Frage, ob diese Formen vorgekauten Denkens und kuratierten Lesens der richtige Weg zur Auseinandersetzung mit den Neuen Rechten sind? Und: ob Haltung zeigen so billig zu haben ist?
Hätten wir Kunden, die aufgrund der Feuilleton-Debatte um Sieferle zu uns in die Buchhandlung kamen, belehren sollen, dass sein Essay in einem rechten Verlag erschienen ist, mit dem wir nichts zu tun haben wollen? Hätten wir diesen Kunden eine Gesinnungsprüfung abverlangen müssen, eine schriftliche Erklärung, dass sie nicht mit der AfD sympathisieren? Das war uns dann doch zu dumm. Wir haben Sieferles Buch vorrätig, und ich empfehle es jedem, der sich mit rechtem Denken befassen möchte. Das war – zugegeben – keine einfache Entscheidung, und sie brauchte ihre Zeit. Ich glaube aber mittlerweile: Buchhändler, die ihren Kunden in der Zeitgeschichte ein Angebot an Büchern zur Neuen Rechten machen wollen, kommen an rechten Texten nicht vorbei. Das gilt auch für Götz Kubitscheks Buch "Die Spurbreite des schmalen Grats", das seine Positionen besser dokumentiert als jede Sekundärliteratur. Wer mit Rechten reden will, muss lesen, was Rechte denken. Im O-Ton. Wer zwischen Leo / Steinbeiß / Zorn und Kubitschek wählen möchte, dem empfehle ich Letzteren. Der unversöhnliche militaristische Grundton seines Denkens, sein überhebliches deutschnationales Pathos, seine ethnopluralistisch gewendete Fremdenfeindlichkeit, sein überzogenes Widerstandsgetöse: Kubitscheks Aufsätze brauchen keine Interpretationshilfen und keinen Lektüreschlüssel. An seinem Verlag führt kein Weg mehr vorbei. Erst recht nicht nach der letzten Frankfurter Buchmesse. Krawall und Sachbeschädigung sind keine brauchbaren Antworten auf die Publikationen von Antaios. Denn auch das müssen wir konstatieren: Die intellektuelle Begeisterung, sich mit Texten und Theorien, rechten wie linken Denkern auseinanderzusetzen, ist bei den Neuen Rechten weitaus größer als bei ihren Gegnern. Jede Ausgabe der "Sezession" gibt davon ein beredtes Zeugnis. Das erinnert durchaus an die "wilden Jahre des Lesens" der 68er.
What's right? Wer heute eine erfolgreiche Strategie gegen Neue Rechte sucht, wird sie mit den alten Argumenten und Parolen nicht finden. Der muss bereit sein, Kubitschek & Konsorten bis zum letzten Satz zu lesen. Und erfährt dort auch, wie die Begegnung zwischen ihm und Simon Strauß endete.
- Nachrichten für Zielgruppen
- Besondere Formate
- Abo und Ausgaben