Hormone und Antibiotika im Fleisch und Glykol im Wein erschüttern das Vertrauen der Verbraucher. Am Anfang solcher gefährlichen Entwicklungen steht meist ein mörderischer Konditionendruck seitens weniger großer Player. Den gibt es auch im Buchhandel – und wir müssen uns die Frage stellen: Wollen wir Gammelfleisch im Buchregal?
"Langfristige Sicherung unserer Geschäftsbeziehungen" lautet die Betreffzeile eines Schreibens, das uns erreichte. Das klingt zukunftsweisend und interessant. Auf zwei Seiten erklärt ein großer Player unserer Branche, das Kaufverhalten habe sich verändert und dies fordere konsequente Reaktionen. Ja, denke ich, das erleben wir auch so in unserem kleinen, zielgruppennahen Verlag.
Man investiere umfangreich in die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells und die Stärkung der Marke. Und wieder denke ich: Ja, genau wie wir, der hybride Kunde macht es uns allen ja nicht leicht. Dann ist vom Kostendruck des Handels die Rede und ich denke an die engen Kapazitäten in Druck und Weiterverarbeitung und an die Papierindustrie, die Verknappung als Mittel der Preisstabilität erkannt hat.
"Um Ihnen langfristig als erfolgreicher Vertriebspartner zur Verfügung stehen zu können …", beginnt der nächste Satz und ich stutze: Unabhängige kleinere Verlage können sich glücklich schätzen, wenn große Ketten sie überhaupt empfangen. Dann ordern sie fast ausnahmslos über Barsortimente und dort die "Rosinen". Wir pflegen erfolgreiche, langfristige Vertriebspartnerschaften meist mit unabhängigen Buchhandlungen, mit Sortimentern, die sich für Inhalt und Form, Herstellung und Hintergrund der Bücher interessieren. Die ihre Kunden kennen und Beratungskompetenz leben, weil sie qualifizierte Verlagsinformationen begeistert aufnehmen.
"In den letzten Jahren entwickelte sich Ihr Unternehmen konditionell deutlich unterhalb des Durchschnitts vergleichbarer Zulieferer", lese ich und frage mich nach den Vergleichsmaßstäben. Ich überlege, ob es fair wäre, wenn die Großen die besten Konditionen bekämen, anstelle derer, die sich gezielt einsetzen? Wenn die Cherrypicker belohnt würden und nicht diejenigen, die durch breite Präsentation auch für uns markenbildend wirken? Wenn Konditionen aufoktroyiert werden und nicht miteinander besprochen …
Denn dann folgt ein Satz, in dem rückwirkend ein Werbekostenzuschuss gefordert – und gleich auch in Rechnung gestellt wird. Wenn große Ketten kleine Sortimente schlucken, wenn diese Ketten Verlage mit Nicht-Auslistungs-Forderungen konfrontieren, die Verlage mittelfristig in die Knie zwingen, wenn die Ketten daraufhin anstelle von Biblio-Diversität nur noch Bestseller und "Gammelfleisch zwischen Pappdeckeln" (= Ramsch) anbieten – dann wird es unmöglich, der Politik Branchen-Schutzmaßnahmen wie die Preisbindung plausibel zu machen. Dann profitiert kurzfristig Amazon – und langfristig werden wir erschrocken um das Kulturgut vitaler, facettenreicher und Demokratie sichernder Buchvielfalt trauern! Konditionenterror trifft am Schluss nicht einzelne Verlage und kleine Sortimente, sondern die gesamte Gesellschaft. Das aber muss man nicht widerspruchslos hinnehmen. Deshalb habe ich den Fall öffentlich gemacht. Reden ist Gold und Schweigen manchmal einfach nur feige. Kleine und Große aus Handel und Verlagen haben darauf reagiert – und vor allem auch der Absender des Briefes. Die Rechnung soll storniert und das Gespräch wiederaufgenommen werden. Wir werden sehen ...
Als kleinerer Fachverlag sollten Sie ohnehin Ihre anderen Vertriebskanäle entwickeln, vor allem den Direktvertrieb. Hier noch auf ein Engagement des breiten Handels zu hoffen, ist vergebliche Liebesmüh. Wie viele echte Partner haben Sie im stationären Sortiment? 20, vielleicht 30? Bemühen Sie sich um die, die sich wirklich für Sie engagieren und nicht nur von uralten Abos leben. Egal, ob große oder kleine Sortimente. Und mit den Engagierten treffen Sie individuelle Regelungen, die sich am Engagement bemessen. Den Rest können Sie als Fachverlag ohnehin getrost vergessen.
Ich bringe mittlerweile meine Bücher lieber selber heraus und vermarkte sie selber als mich so dermaßen von den Verlagen ausbeuten zu lassen.
Doch einen Großisten leiste ich mir nicht, denn der möchte doch tatsächlich 50 % vom Verkaufspreis haben.
Die mageren Umsätze und die hohe Remi-Quote dieses Händlers ließen sich eventuell noch verschmerzen, wenn sich nicht immer mehr Buchhändler von ihrer Rolle als Kulturvermittler zu verabschieden. Statt die Lücke zu besetzen, die diese Ketten und Versender eröffnen, versucht man es den Großen nachzutun. Dabei lässt sich seit Jahren beobachten, wie das Gegenteil im mittleren und kleinen Sortiment zu Erfolgen führt.
Dann wird alle Jahre wieder die Klage laut, dass die Masse der deutschsprachigen Autorinnen und Autoren nichts Individuelles zu schreiben in der Lage sind ... das sind sie schon, aber der Druck des Marktes zwingt uns zunehmend, die Schere gleich im Kopf anzusetzen. Das Besondere bleibt nur zu oft auf der Strecke. Und mit ihm die Vielfalt von Büchern, die Eigenart und ... zu guter Letzt die Lust an der Arbeit für den deutschen Buchmarkt.