Amazon Publishing ist in Deutschland 2014 gestartet – wie hat sich der Verlagszweig entwickelt?
Myers: Wir haben bisher über 800 Bücher veröffentlicht und planen im nächsten Jahr 190 weitere Titel. Außerdem haben wir im vergangenen Frühjahr mit „Tinte & Feder“ ein weiteres Imprint für zeitgenössische und historische Romane gelauncht. Zusammen mit unseren anderen Imprints bieten wir jetzt für jeden Lesegeschmack etwas.
Viele Buchhändler haben erhebliche Vorbehalte gegenüber Amazon. Jetzt wollen Sie mit den Titeln, die in Ihrer Verlagssparte publiziert werden, auch in den stationären Buchhandel. Das müssen Sie erklären.
Myers: Amazon hat selbst als Buchhändler begonnen und ist seit einiger Zeit mit Amazon Publishing auch Verleger. Wie andere Buchhändler wollen wir, dass unsere Kunden die Bücher finden, die sie suchen und wie andere Verleger wollen wir, dass die Bücher unserer Autoren so viele Leser wie nur möglich haben. Wir suchen daher permanent nach Wegen, wie wir mehr Leser erreichen können.
Sie haben eine Vereinbarung mit KNV abgeschlossen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Amazon-Bücher jetzt automatisch in den Buchläden ausliegen.
Myers: Das bedeutet vor allem, dass Buchhändler diese Titel jetzt erstmals über das Barsortiment ordern und für ihre Kunden verfügbar machen können. Für uns ist es ein erster Schritt, um unsere Titel auch über den stationären Handel verfügbar zu machen und zu verkaufen. Buchhändler, deren Kunden nach Amazon-Publishing-Titeln fragen, können die Bücher nun auf den gewohnten Lieferwegen bestellen. Das war bisher nicht oder nur mit Umständen verbunden der Fall.
Hiller: Ich habe in der letzten Zeit mit Buchhändlern gesprochen, die unsere Bücher gern anbieten würden, weil ihre Kunden nach diesen Büchern fragen.
Welche Buchhändler sind das?
Hiller: Wir führen viele Gespräche und freuen uns über das Interesse der Händler, unsere Titel anzubieten.
Rechnen Sie wirklich damit, dass Menschen, die auf amazon.de auf einen Titel aus der Amazon-Produktion stoßen dann in einer Buchhandlung kaufen? Das ist schwer nachzuvollziehen.
Hiller: Kunden finden doch Bücher von Amazon Publishing nicht nur auf Amazon.de. Unsere Autoren und Bücher werden in den Medien besprochen, Blogger schreiben über unsere Titel, viele unserer Autoren sind sehr aktiv in den sozialen Medien und schließlich gibt es auch noch mündliche Empfehlungen – Amazon-Publishing-Autoren werden auf vielfältige Weise entdeckt.
Haben Sie nur mit Barsortimenten oder auch mit Buchhändlern über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen?
Hiller: Wir sprechen mit allen Anbietern, die ein Interesse daran haben, Amazon-Publishing-Titel für Leser verfügbar zu machen.
Selbst in Ihrem Stammmarkt, den USA, boykottieren viele Sortimenter den Verlag. Ihnen haftet das Image des aggressiven Wettbewerbers an. Das macht eine Partnerschaft schwierig.
Myers: Wie allen Buchhändler geht es uns darum, die Titel anzubieten, die Kunden lesen wollen und dafür zu sorgen, die Leserschaft für unsere Autoren zu erweitern. Dem Ziel trägt dieser Schritt Rechnung.
Hiller: Wir haben alle etwas gemeinsam: Wir wollen gute Bücher zu den Lesern bringen, und wir wollen die Menschen dazu ermuntern, mehr zu lesen.
Andere Verlage unternehmen große Anstrengungen, um ihre Bücher prominent in den Buchläden platziert zu sehen. Sie sagen: Wir sind jetzt bei KNV. Reicht das aus?
Myers: Für uns ist die Anbindung an das Barsortiment ein erster Schritt, um unsere Bücher einem breiteren Publikum verfügbar zu machen. Wir können dadurch Titel, die bei Amazon sehr erfolgreich sind, auch anderen Händlern anbieten.
An welche Bücher denken Sie da?
Hiller: Das sind beispielsweise die Krimis von Alexander Hartung, die bereits über 500.000 Leser erreicht haben, die Bücher unserer Bestseller-Autoren Ellin Carsta und Robert Dugoni. Oder der Island-Thriller von Stefán Máni, mit dem wir letzte Woche erst eine ausverkaufte Lesung in Berlin in der Isländischen Botschaft hatten.
Um eine nennenswerte Zahl von Büchern über den stationären Handel zu verkaufen wären größere Anstrengungen notwendig. Sie müssten etwa ein Vertreterteam aufbauen. Planen Sie das?
Myers: Wie gesagt, dies ist ein erster Schritt, um Amazon Publishing Titeln einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Die meisten Bücher werden in Deutschland noch immer über den stationären Buchhandel verkauft. Wie erklären Sie das Ihren Autoren, dass Sie dort nicht so präsent sind wie andere Verlage?
Myers: Autoren stehen für uns zu 100 Prozent im Fokus – Schreiben ist echte Arbeit, und wir wollen, dass sich Autoren bei uns wohl fühlen und entsprechend entlohnt werden. Sie wissen, dass wir ihre Titel weltweit verkaufen. Sobald ein Autor bei uns ein Buch publiziert, ist es sofort in all unseren Webshops rund um den Globus verfügbar und allein über die prominente Platzierung auf Amazon können wir für unsere Autoren eine sehr breite Leserschaft erreichen. Wir bringen fast alle unsere Titel in gedruckter und in digitaler Form heraus, viele auch als Hörbuch. Wir wissen zudem sehr viel darüber, welche Bücher die Leser bevorzugen in verschiedenen Regionen dieser Welt und können unsere Autoren mit den richtigen Zielgruppen zusammenbringen, indem wir den Titel in eine oder mehrere Sprachen übersetzen. Der nächste Schritt ist nun die Präsenz im stationären Buchhandel. Daran arbeiten wir. Es ist normal, dass Autoren ihre Bücher an möglichst vielen Verkaufspunkten sehen wollen. Und es ist unser Job, sie dabei zu unterstützen.
Amazon Publishing Germany
Der deutsche Verlagszweig von Amazon wurde 2012 etabliert. Zunächst wurden nur übersetzte Titel aus dem AmazonCrossing-Programm publiziert. 2014 erschienen die ersten deutschsprachigen Originalausgaben. Mittlerweile kommen um die 190 Titel pro Jahr heraus, mehr als die Hälfte davon sind im Original deutschsprachig. Der Verlag konzentriert sich auf Genreliteratur. Die Titel werden hauptsächlich digital vertrieben. Das Programm gliedert sich in die vier Imprints: Montlake Romance (Liebesromane), Edition M (Krimis und Thriller), 47North (Science Fiction und Fantasy), Tinte & Feder (zeitgenössische und historische Romane). Zu den Autoren zählen der langjährige ARD-Korrespondent Werner Sonne und der Krimischriftsteller Alexander Hartung.