Interview mit Peter Usborne

"Eine Serie ist manchmal schon gleichbedeutend mit Schund"

27. Februar 2015
von Börsenblatt
Nicht alles, was sich im britischen Kinderbuchmarkt gut verkauft, ist auch hier gefragt: Ein Gespräch mit Peter Usborne von Usborne Publishing, einem der größten Kinder- und Jugendbuchverlage in Großbritannien, der im Herbst 2012 einen eigenen Verlag in Deutschland gegründet hat.

Welche Unterschiede stellen Sie fest beim Vergleich zwischen dem deutschsprachigen und dem britischen Kinderbuchmarkt?
Was das Leseverhalten betrifft, gibt es keine so großen Unterschiede. Aber es gibt eine merkwürdige Zurückhaltung vor allem im Handel, wenn es um Serien geht. Eine Serie ist in Deutschland manchmal fast schon gleichbedeutend mit Schund. Und Humor im Kindersachbuch gilt oftmals als unseriös. Ich habe die humoristische Zeitschrift „Private Eye“ gegründet; mir sind lustige und witzige Elemente in der Literatur sehr wichtig.

Gibt es Bücher, die Sie in Großbritannien veröffentlichen, aber bestimmt nicht in Deutschland?
Bücher über den Ersten und Zweiten Weltkrieg sind in Großbritannien oft sehr erfolgreich, kommen aber für den deutschen Markt nicht in Frage. Erinnerungen an den Krieg funktionieren da ganz anders.

Die meisten Ihrer Autoren stammen aus dem englischsprachigen Raum. Müssen Sie regionale Unterschiede minimieren, um in Ihren mehr als 100 ausländischen Märkten zu reüssieren?
Es gibt bestimmte Motive, die in Büchern für den internationalen Markt nicht vorkommen, beispielsweise Uniformen oder regionale architektonische Eigenheiten. Und Sie werden in meinen Büchern wohl nie erkennen können, auf welcher Straßenseite ein Auto fährt und auf welcher Seite das Lenkrad ist.

Wo sehen Sie Chancen und wo Risiken bei der Globalisierung des Kindersachbuchs?
Ich sehe große Chancen, was die Vorteile der englischen Sprache betrifft. In manchen Ländern verzeichnen wir zur Zeit einen wachsenden Markt für Kinderbücher in englischer Sprache: Die frühere Zurückhaltung gegenüber Fremdsprachen schrumpft zum Beispiel in Frankfeich rasch. Und in Skandinavien beobachte ich geradezu einen Perfektionismus, wenn es darum geht, Englisch zu lernen. Die Eltern wollen, dass Kinder sehr gut Englisch sprechen. Das gilt auch für Deutschland. Denken Sie daran, dass englische Ausgaben von Harry Potter eine Zeitlang auf Platz eins der deutschsprachigen Bestsellerlisten waren. Ich finde das erstaunlich. Dabei beobachte ich, dass sich die kulturellen Unterschiede zwischen den Nationen vermindern. Andererseits leugnen wir sie nicht, im Gegenteil. Denken Sie an „Reise um die Welt mit über 250 Stickern“, wo die kulturellen Unterschiede betont werden.

Wie hat sich der Sachbuchmarkt in Deutschland aus Ihrer Sicht nach der Pisa-Blase bis heute entwickelt?
Ich gehe von Großbritannien aus: Nonfiction für Kinder ist hier fast verschwunden. Was wir „children’s reference“ nennen, also Nachschlagewerke und andere „Tatsachenbücher,“ wurde vom Internet verdrängt. Die Lehrer sagen ihren Schülern bei Hausaufgaben oder Forschungsprojekten nicht mehr wie früher „Geh' in die Buchhandlung“, sondern „Such' online“. Aber geben Sie mal das Stichwort „Dinosaurier“ ein. Sie bekommen Millionen von Treffern. Hier findet eine Rückbesinnung auf das gute Sachbuch statt, in dem bestimmte Themen treffend dargestellt werden. Deshalb veröffentlichen wir weiterhin Sachbuchserien für Jugendliche, weil wir glauben, dass hier der Markt bald wieder wachsen wird.

Wie sieht es mit Sachbüchern für die Jüngsten aus?
In Großbritannien sind zurzeit Bücher mit Klappen wieder sehr erfolgreich. "Kreuzungen" aus Büchern und Non-Books werden stark nachgefragt; ich nenne sie „toyish books“, weil sie spielerische Elemente enthalten. Unser Feuerwehrbuch für Kleinkinder mit Aufziehauto, Sirene und drei Fahrspuren ist ein weltweiter Bestseller. Bücher, die auf verschiedenste Weisen zum Mitmachen animieren, haben große Chancen.

Sind Sie optimistisch, was die Zukunft der Nonfiction für Kinder und Jugendliche betrifft?
Ja. Allein schon wegen der vielen berufstätigen Mütter. Immer mehr Frauen machen einen Uni-Abschluss und haben gute Jobs. Sie wünschen sich kluge Kinder und schenken ihnen von Geburt an gute Sachbücher. Manchmal tun sie das auch, um ihr Gewissen zu beruhigen, weil sie nach eigenem Empfinden zu wenig Zeit für den Nachwuchs haben.