Umfrage zum neuen Regalservice von Libri

Dienstleistung auf dem Prüfstand

14. Januar 2013
Redaktion Börsenblatt
Der Branche diskutiert über den neuen Regalservice von Libri – dabei gehen die Meinungen bei Buchhandlungen wie bei Verlagen recht weit auseinander. „Das Lager wird vielfältiger und bunter“, sagen die einen. Während andere betonen: „Das brauche ich nicht.“

Marcus Mesche, Buchhandlung Gollenstede in Heinsberg
"Libri hat zwar viele gute Ideen, mit dieser jedoch kann ich wenig anfangen: Wie kann ein Algorithmus so genau wissen, was unsere Kunden gerade wollen? Da gestalten wir unser Sortiment lieber weiter selbst – auch wenn vielleicht hier und da Titel drunter sind, die man ersetzen könnte. Solange wir Mitarbeiter haben, die sich auskennen und an ihren Themen dranbleiben, brauchen wir einen solchen Regalservice nicht."

Jan Hoffmann, Buchhandlung Lesezeichen in Eutin
Der Buchhändler gehört zu den 70 Pilotkunden, die Libri für seinen Regalservice gewonnen hat – er arbeitet seit knapp einem Jahr damit. Welche Erfahrungen er machte und wie es derzeit läuft, berichtet er in einem Kommentar auf boersenblatt.net. Wir zitieren daraus: 


"Aufgrund der ersten positiven Erfahrungen haben wir den Regalmanager auf weitere Warengruppen ausgeweitet: EDV Bücher, Sprachen/Wörterbücher, Technik & Verkehr, Kunst... Auch hier sind wir mit den erreichten Zahlen sehr zufrieden. Es ist in keinem Fall ein 08/15- oder Bestsellerlisten-Angebot was geliefert wird. Manchmal sind Titel darunter, die wir nie gekauft hätten - teils von Verlagen die wir bisher nicht bezogen hatten. Das Lager ist in den betreuten Bereichen vielfältiger und bunter geworden - und wird von den Kunden auch so wahrgenommen. Als positiv empfinden wir ebenfalls, dass Titel zügig durch neue ausgetauscht werden, so haben wir schneller wieder ein aktuelles Lager – müssen nicht auf eine Remi-Genehmigung warten."

Brigitte Gode, Buchhandlung Gollenstein in Blieskastel
"Für Buchhandlungen unserer Größe kommt ein solcher Regalservice kaum infrage. Ich denke, dass ich meine Regale ganz gut beherrsche, große wie kleine. Und wenn wir ein neues Thema testen wollen, haben wir das gern selbst in der Hand."

Manfred Keiper, Die andere Buchhandlung in Rostock:
"Libris Regalservice interessiert mich nicht. Ich traue den Kollegen sehr gute Arbeit zu, aber ich mache hier bei uns keine Konfektionierung. So stelle ich mir meine Arbeit nicht vor."

 

Ute Henze, Buchhandlung Henze in Wolgast
"Libri verfügt über umfassende Einkaufskompetenz. Wir trauen dem Barsortiment durchaus zu, die richtigen Titel für unsere Kunden auszuwählen – in manchen Themenbereichen vielleicht sogar besser als wir. Ich kann mir gut vorstellen, dieses Angebot einmal auszuprobieren, zum Beispiel im Segment Lebenshilfe."

Armin Gmeiner, Verleger / Sprecherkreis AkV
"Ein Meter Regal ist ja nicht wenig, da sollte der Buchhändler sich schon ein wenig im Thema auskennen. Als Schnupperangebot zum ersten Kennenlernen könnte Libris Service aber durchaus geeignet sein. Für kleinere Verlage könnte in dem Modell eine Chance liegen – vorausgesetzt, Libri nimmt auch Titel aus Nischenverlage in die Auswahl auf."

Bettina Preiß, VDG Weimar / Vorsitzende des Arbeitskreises Bild- und Kunstbuchverlage im Börsenverein

"Meine Begeisterung für die "libri-Idee" hält sich in Grenzen. Sie scheint mir nicht viel mehr als die Themenwanne der Barsortimente zu sein, wie wir sie schon kannten. Nur, dass aus Wanne jetzt ein Regal wird.

Der mysteriöse Algorithmus wird nicht viel mehr sein als das, was das Warenwirtschaftssystem eh schon ausspuckt. Ich habe schwer den Eindruck, dass hier, wie so oft in unserer Branche, der Endkunde völlig unterschätzt wird. Wir kommunizieren oft nur noch mit uns, über uns, an uns vorbei. Der Endkunde geht dann den Weg ins Internet, wo er bei Amazon wirklich alles zu seinen Themen findet. Die 'Kunstwanne', die vom Arbeitskreis der Bild- und Kunstbuchverlage bereits zweimal befüllt wurde, unterscheidet sich grundlegend vom Libri-Ansatz. Denn sie versucht, dem Buchhändler wieder eine Warengruppe präsent zu machen, die der Endkunde nicht mehr in den Buchhandlungen finden konnte – und zwar mit Augenmerk auf das Besondere, nicht auf das Gängige. Ein Weg, den wir bislang ganz erfolgreich gehen..."

Jan Wiesemann, Gräfe und Unzer. Als so genannter Kompetenzpartner berät der Münchner Ratgeberverlag Libri bei der Auswahl im Kochbuchsegment. Der Vertriebsleiter Buchhandel über die Chancen und Risiken des Modells:

 "Das Risiko ist, dass es nicht funktioniert. Die große Chance aber, mit dem richtigen und das heißt grundsätzlich mit dem "nachgefragten und vorrätigen" Sortiment die Kundenzufriedenheit zu steigern, überwiegt. Nach unserer Erfahrung sind oft "Leerverkäufe" vorprogrammiert, weil gewünschte Titel nicht vorrätig sind und "erst bestellt werden müssen". Mittlerweile bestellt der Kunde dann lieber gleich selbst im Internet. Wir begrüßen die Initiative von Libri, kann sie doch auch ein Instrument zur Sicherung und Stabilisierung des stationären Handels sein." 
Jens-Peter Arndt, Marketing- und Verkaufsleiter beim Callwey Verlag:

 "Ein Buchhändler verkauft mit Sachverstand und Kompetenz Bücher (dazu gehört auch der bewusste Einkauf), das sollte er nicht (komplett) aus der Hand geben.Gerade in den Randthemen trifft er auf häufig gut informierte Kunden, er sollte also wissen, warum er welche Bücher im Regal hat. Gerade kleine Buchhandlungen sollten sich durch ein eigenes Profil / Buchprogramm positionieren. Je mehr sie die Auswahl darüber aus der Hand geben, desto stärker nivelliert sich ihr Profil. Das Informationssystem der Verlage ist gut, Vertreter und Vorschauen bieten alle nötigen Fakten – notfalls einen Mitarbeiter diese Themen betreuen lassen. Fazit aus Callwey-Sicht: Der neue Service von libri klingt durchdacht und attraktiv, deshalb wo nötig unterstützend nutzen, aber niemals die komplette Hoheit über die Regale aus der Hand geben. Lieber den Mut haben, bewusst auf einen Bereich zu verzichten und dafür die Schwerpunkte vertiefen."