Buchmarkt 2025

Wunderglaube

7. Juli 2011
von Börsenblatt
Wie sieht der Buchmarkt 2025 aus? 55 Thesen dazu wurden auf den Buchtagen Berlin diskutiert. Hier geht die Debatte weiter. Der Verleger Christoph Links fühlt sich an Goethes "Faust" erinnert.

Nach den nüchtern vorgetragenen Schrumpfungsszena­rien für unsere Branche in den nächsten 14 Jahren, besonders dramatisch für das Fachbuch, wird in den 55 Thesen über die »Buchbranche der Zukunft« als einziger Hoffnungsschimmer angeführt, dass der Verkauf von bezahlten Inhalten via Internet die Verluste von ca. 25 Prozent bei den gedruckten Büchern in etwa ausgleichen wird.

Da fällt einem sofort »Faust« ein: »Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.« Da Goethe die Zeile folgen lässt: »Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind«, fragt man sich unwillkürlich: Welches Wunder soll die Kompensation der Verluste bewirken, damit man ernsthaft an diesen optimistischen Ausblick glauben kann?

Die Nachfrage aus dem Berliner Publikum von Umbreit-Geschäftsführer Thomas Bez, worauf sich denn diese Annahme konkret stütze, konnten die Präsentatoren der Thesen nicht beantworten, sie verwiesen lediglich auf ihre internen Hochrechnungen.

Alle unsere Erfahrungen stehen der strittigen These deutlich entgegen. Unser Verlag ist von Anfang an mit den neuen Technologien verbunden, wir bieten seit mehreren Jahren E-Books und PDF-Dateien über verschiedene Plattformen an, ein eigener Programmierer im Haus sorgt dafür, dass alle geeigneten Neuerscheinungen sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form angeboten werden – und doch sind die Verkäufe von elektronischen Inhalten weit von jeder Rentabilität entfernt.

An eine Kompensation der bereits erkennbaren Ausfälle im gedruckten Bereich ist überhaupt nicht zu denken. Wie ich von den Kollegen weiß, sieht es auch in größeren Häusern, wo man noch wesentlich mehr investiert hat, nicht viel besser aus.

Insofern muss sich unsere Branche ernsthaft Gedanken machen, wie jenseits des wünschenswerten Glaubens realistische Strategien entwickelt werden, die uns allen – Verlagen wie Buchhandlungen und Zwischenbuchhändlern – eine ertragreiche Perspektive eröffnen. Beschwörungen allein reichen da nicht.

Nächste Woche: die Buchhändlerin Ruth Klinkenberg über neue Produkte im Sortiment.