Interview mit Christian Sprang

"Wir weinen nicht"

6. Juli 2011
von Börsenblatt
Wie geht es weiter nach den Empfehlungen der Internet-Enquete? Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang über "unausgereifte Vorschläge" und die Notwendigkeit von Aufklärungsarbeit.

Die Netzaktivisten jubeln. Und Sie?
Wir jubeln nicht, aber wir weinen auch nicht. Ein Papier, das so halbgar ist, wird von der Rechtspolitik sicher nicht aufgegriffen und es wird in den großen Parteien auch keine Mehrheit finden. Man sollte es nicht hochspielen.

Warum halbgar?
Das ganze Prozedere ist problematisch, weil bei der Auswahl der Sachverständigen kein Proporz gewahrt wurde. Die Netzgemeinde ist überproportional vertreten, daher das verzerrte Bild. Natürlich muss sich das Urheberrecht ändern und neue Impulse sind wichtig. In den Empfehlungen wird aber nicht erkennbar, wie ein System aussehen könnte, das sowohl für Urheber als auch für Verwerter und Nutzer Fortschritte brächte. Folgte man den Empfehlungen, brächte das eher Verschlechterungen als Verbesserungen.

Welche der Vorschläge kritisieren Sie konkret?
Ich glaube nicht, dass es irgendein Autor akzeptabel findet, wenn sein Werk ungefragt im Internet durch Remixes und Mash-ups entstellt wird. Kein Urheber, der von seinem kreativen Schaffen leben will, wird sich außerdem darauf einlassen, dass anstelle der Sicherheit der Verwertung – mit festem Preis und in Zusammenarbeit mit einem selbst gewählten Partner – der allgemeine Zugriff auf Inhalte im Internet und die Abgeltung durch eine Flatrate tritt. Das ist eine rein nutzerzentrierte Sicht. Die Vorschläge schaffen keinerlei Anreiz, in kreatives Schaffen zu investieren.

Eine Lösung, mit der eine Mehrheit zufrieden sein könnte, liegt also weiter fern?
Allen fällt es leicht zu sagen, was sie stört. Aber überzeugende Vorschläge gibt es nur in Teilbereichen, etwa bei den vergriffenen und verwaisten Werken.

Werden die Empfehlungen richtungsweisend sein?
Kaum, dennoch müssen wir alles tun, um deutlich zu machen, wie durchdacht das geltende Urheberrecht ist und welche Vorzüge es für all jene Nutzer hat, die hochwertige, aufbereitete Inhalte schätzen.

Ist die Haltung des Börsenvereins zu defensiv?
Nein, das hat mit defensiv nichts zu tun. Wir versuchen mit Sachargumenten zu überzeugen. Mit Partnern, die uns zuhören, finden wir in der Regel ausgewogene Lösungen. Der Zwischenbericht der Projektgruppe Urheberrecht hat aber deutlich gemacht, wie erschreckend groß die Unwissenheit darüber ist, wie Verlage arbeiten und wie Autoren ihre Rechte gewahrt wissen wollen. Hier müssen wir noch stärker aufklären. Wir würden uns wünschen, dass sich die Vertreter der sogenannten Netzgemeinde einer echten Diskussion mit Verlegern und Autoren stellen. Der Börsenverein bietet dazu gern eine Plattform an.