Interview mit Oliver Voerster

"Von 500.000 auf eine Million Produkte"

19. Mai 2011
Redaktion Börsenblatt
KNV verlagert seinen Standort von Stuttgart bis zum Jahr 2015 in die Mitte Deutschlands. Im Interview mit boersenblatt.net erläutert KNV-Chef Oliver Voerster die Hintergründe für diese wegweisende und folgenreiche unternehmerische Entscheidung.

In Ihrer Pressemeldung sprechen Sie von einem neuen Standort in der Mitte Deutschlands. Wo soll's denn hingehen?

Voerster: Das steht noch nicht fest. Besonders interessant scheint uns jedoch das Gebiet östlich und westlich von Erfurt und in der Region Kassel/Fulda. Wir benötigen eine Fläche von 120.000 Quadratmetern und größer.

In Stuttgart können Sie Ihre Pläne nicht verwirklichen?

Nein, Stuttgart liegt leider nicht in der Mitte Deutschlands und wir wollen unsere Logistik zentralisieren, um alle Kunden optimal zu beliefern. Von Stuttgart aus könnten wir unsere Kunden im Norden, die immerhin fast 20 Prozent zum Umsatz beitragen, auf lange Sicht gesehen nicht optimal und rentabel bedienen.

Sie nehmen 100 Millionen Euro in die Hand. Wie stemmen Sie diese Investition?

Voerster: Die Gesellschafter stehen bei dieser wichtigen Investitionsentscheidung hinter uns und außerdem haben wir jahrelange sehr gute Verbindungen zu unseren Hausbanken, die uns auch hier zur Seite stehen.

Im Zeitalter der Digitalisierung könnte man auch argumentieren, dass die Lagerflächen abnehmen, die digitale Distribution zunimmt und man schlicht diese riesige und aufwendige Logistik nicht mehr braucht ...

Voerster: Das sehe ich nicht so. Ich gehe davon aus, dass wir in zehn Jahren statt wie heute 500.000 Produkte dann eine Million Produkte im Angebot haben. Warum? Weil wir unter anderem die Non-Book-Sortimente ausbauen. Das ist eine enorme Herausforderung für unsere Logistik.

Wir gehen davon aus, dass der Anteil der Digitalisierung 2020 bis zu 20 Prozent betragen kann. Teile des wegbrechenden klassischen Geschäfts fangen wir durch Dienstleistungen und Distribution von E-Books bei KN digital auf.

Werden Sie am neuen Standort Ihre Dienstleistungen verstärkt auch für andere Branchen ausbauen?

Voerster: Das ist nicht unser Ziel. Dort widmen wir uns mit allen Kräften der Branchen-Medien-Logistik.

850 neue Arbeitsplätze werden Sie in Mitteldeutschland schaffen – in Stuttgart werden Sie ca. 600 Arbeitsplätze von Stammmitarbeitern abbauen. Wie viele Angestellte werden Ihnen an den neuen Standort folgen?

Voerster: Die Führungsmannschaft, unsere Top-Logistiker haben uns bereits versichert, dass sie die Konzeption eines neuen Logistikzentrums reizt und mit uns gemeinsam diese Herausforderung annehmen werden. Wir würden uns freuen, wenn viele unserer Mitarbeiter uns an den neuen Standort folgen werden und wir weiterhin auf unsere erfahrenen Mitarbeiter zurückgreifen können.

Was bieten Sie den Mitarbeitern, die ihre Jobs verlieren?

Voerster: Zunächst einmal erhalten alle das Angebot, mitzukommen. Wir haben die Gespräche mit dem Betriebsrat aufgenommen und werden alles unternehmen, um einen bestmöglichen Ausgleich für alle Beteiligten zu finden.

Wie haben Ihre Geschäftspartner auf die Entscheidung reagiert?

Voerster: Wir haben bereits mit vielen Kollegen gesprochen. Sie finden unsere Entscheidung mutig und sind der Meinung, dass wir uns damit in die Pole-Position bringen.

Der Zeitplan ist eng gesteckt, wenn es bislang noch nicht einmal einen Standort gibt. Schaffen Sie das bis 2015?

Voerster: Davon gehen wir aus. 2014 soll die Verlagsauslieferung umziehen. 2015 dann die Großhandelsstandorte Köln und Stuttgart.

Warum kommt Ihre Entscheidung gerade jetzt?

Voerster: Wir beobachten die Entwicklungen in der Branche sehr sorgfältig – Konzentration im Buchhandel und bei den Verlagen, Digitalisierung und E-Commerce. Diese setzen uns unter Margendruck, den wir in den vergangenen Jahren noch durch Optimierungen aufgefangen haben. Wir handeln heute aus der Position der Stärke und der Unabhängigkeit und haben uns daher jetzt entschlossen, den Schritt in eine neue Logistik zu vollziehen.

Welche Effekte hat die Zentralisierung an einem Standort?

Voerster: Wir können dort die modernste Medienlogistik Europas aufbauen. Barsortiment und Verlagsauslieferung werden aus einer Logistik heraus bedient, wir können alles regalfertig in einer Wanne liefern. Kostenvorteile ergeben sich für uns beispielsweise dadurch, dass wir doppelte Läger einsparen und nur noch einen Lagerbestand haben.