Geschwister-Scholl-Preis

Savianos Stimme darf nicht versiegen

17. November 2009
von Börsenblatt
Die Große Aula der Ludwig-Maximilians-Universität war bis auf den letzten Platz besetz. Trotz der großen Sicherheitsvorkehrungen war es so, also ob ganz München dem Träger des diesjährigen Geschwister-Scholl-Preises seine Solidarität entgegenbringen wollte.

Roberto Saviano, von der Camorra mit Todesdrohungen verfolgt und von vielen seiner Landsleute gehasst, betrat die Rednerbühne und bedankte sich: "Ich fühle Ihnen gegenüber sehr viel Dankbarkeit, denn mit diesem Preis schützen Sie mich mehr als ein bewaffneter Personenschutz." Savianos Worte waren an das Publikum und an Jury gerichtet, aber auch an die Geschwister Scholl und ihren Kreis der "Weißen Rose".- Widerstand gegen totalitäre Machtverhältnisse ist niemals sinnlos, sondern ein Recht derer, die nicht schweigen wollen.

Diesen Sachverhalt griff auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude in seiner Rede auf. Der Geschwister-Scholl-Preis erfülle seine Funktion, wenn der damalige mutige Kampf gegen den Nationalsozialismus Entsprechungen in der Gegenwart finde. Dies sei mit dem Preisträger Roberto Saviano der Fall. Ude erinnerte auch daran, dass die Mafia bereits ihre Machtfühler auch nach Deutschland ausgestreckt habe. Wolf Dieter Eggert, Vorsitzender des Bayerischen Landesverbandes im Börsenverein, ging dann auf Savianos prämiertes Buch "Das Gegenteil von Tod" ein, in dem es nicht nur um die Camorra, sondern auch um die miserablen Lebensverhältnisse der Menschen in Neapel und Süditalien geht. Auch in dieser Publikation spreche Saviano Dinge an, die in Italien fast niemand zu sagen wage und die den Blick auf dieses Land kritisch veränderten. Die publizistische Lebensleistung des erst dreißigjährigen Preisträgers fasste Eggert in einem Wort zusammen: Zivilcourage. "Der Geschwister-Scholl-Preis 2009 und seine Verleihung sollen ein Zeichen setzen und Ihnen, Roberto Saviano, ein Schutzschild der Solidarität bieten", so Eggert.

"Es gibt niemanden in Italien, dessen Leben mich so beschäftigt, wie das von Roberto Saviano." Mit diesen Worten begann Giovanni die Lorenzo seine Laudatio. Und er entkräftete gleich gegen ein mögliches Vorurteil: Saviano sei kein nach öffentlicher Aufmerksamkeit heischender Enthüllungsjournalist – sondern vielmehr ein äußerst mutiger Publizist, der mit seinen gesellschaftskritischen Texten die Öffentlichkeit wachrufen, ja, zum Widerstand gegen die mafiösen Verhältnisse in seinem Land aufrufen wolle. Und dafür ertragen müsse, in seiner Heimat als Nestbeschmutzer diffamiert zu werden. "Man denkt heute in Italien laut darüber nach, Saviano den Personenschutz wieder zu entziehen. Damit würde man ihn an die Camorra ausliefern. Doch Savianos Stimme darf nicht versiegen. Mit dem Geschwister-Scholl-Preis wollen wir mithelfen, dass seine Sicherheit gewährleistet bleibt." Bei diesen Worten di Lorenzos wollte der Applaus nicht enden. Und auch nach Übergabe der Preisurkunde gab es minutenlangen standing ovations für Roberto Saviano, für seine publizistische Arbeit – und für seine große Zivilcourage.

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