Stephan Füssel: Es beinhaltet die vier Verlagsarchive des Rowohlt Verlags, der Europäischen Verlagsanstalt, des Rotbuchverlags und des Syndikat-Verlags, mit denen der gesamte Herstellungsprozess nachvollzogen werden kann. Uns liegen die eingesandten Manuskripte, die Lektoratskorrespondenz mit dem Autor, die redaktionellen Eingriffe, die ersten Fahnen, und der Umbruch vor, sowie die parallel dazu laufenden Fragen der Kalkulation in der Herstellung beziehungsweise in der Schutzumschlaggestaltung. Vom Rowohlt Verlag haben wir zum Beispiel ein vollständiges Verzeichnis aller Schutzumschläge. Parallel dazu die Unterlagen aus Werbung, Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit. Dann die Andrucke für die jeweiligen Werbeflyer, die Verlagsprogramme, Börsenblatt-Anzeigen etc., Rezensionsbelege und auch Lizenzvereinbarungen. Das heißt, wir können den gesamten Ablauf der verlegerischen Tätigkeit an diesen Archivalien zeigen.
Was bedeutet das für die Studierenden?
Füssel: Der Reiz des gesamten Verlagsarchivs liegt für uns vor allen Dingen darin, dass wir den Studierenden ein ganz herausragendes Material zum Bearbeiten für Magister- und Doktorarbeiten zur Verfügung stellen können. Zusammen mit den Studierenden möchten wir das Archiv in den kommenden fünf Jahren formal erschließen und auch online zugänglich machen. Es handelt sich um ein öffentliches Archiv, das wir auch Wissenschaftlern und Studierenden anderer Fächer zugänglich machen können.
Wie schlägt sich der Neuzugang in den Lehrveranstaltungen nieder?
Füssel: In jedem Semester wird es Lehrveranstaltungen in allgemeiner Verlags- und Archivkunde geben, aber auch Seminare und Vorlesungen zu den einzelnen Verlagen. Im nächsten Sommersemester werde ich eine Vorlesung und ein Hauptseminar zur Verlagsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel dieser Verlagsarchive anbieten. Zusammen mit der historischen Kommission des Börsenvereins möchte ich in den kommenden fünf Jahren die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage dieser Archivalien verfassen. Wir erhoffen uns sowohl für die Lehre als auch für die Forschung einen deutlichen materiellen Gewinn.
Archive sind immer auch mit einem großen finanziellen und personellen Aufwand verbunden.
Füssel: Die Universität Mainz hat uns in deutlichem Maße unterstützt. Wir haben 200 Quadratmeter Archivfläche in einem völlig neuen Bürogebäude am Taubertsberg bekommen, worauf wir diese 600 laufenden Regalmeter Archivmaterial problemlos unterbringen können. Zudem steht uns ein 70 Quadratmeter großer Benutzungs- , Lese- und Bearbeitungsraum zur Verfügung. Wir haben eine Wissenschaftlerstelle und eine Sekretariatsstelle zur Erschließung des Archivs eingerichtet.
Was das Rowohlt Verlagsarchiv angeht, gibt es ja auch eine Kooperation mit dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach ...
Füssel: ... Entsprechend seiner Spezialisierung auf die deutsche Literatur hat Marbach den Bereich Belletristik übernommen. Nach Mainz gingen die bereiche Sachbuch, Taschenbuch sowie Kinder- und Jugendliteratur. Das Schöne ist, dass wir von Rowohlt und heute von dem Verlegerehepaar Groenewold alles kostenlos nach Mainz bekommen haben. Wenn man bedenkt, dass andere Verlage im Moment versuchen, einen hohen Betrag für ihre Archive zu fordern, sind wir natürlich extrem dankbar dafür, dass diese Schenker uns alles völlig umsonst zur Verfügung stellen.