Meinung

Die hohe Kunst der Präsentation

18. Dezember 2008
Redaktion Börsenblatt
Gute Bücher zu produzieren ist ein äußerst komplexer Vorgang. Da können elektronische Publikationen bis auf Weiteres nicht mithalten. Glaubt Manfred Meiner.
Wenig ist die Rede von den Qualitätsmerkmalen »guter Bücher«, umso mehr jedoch davon, was elektronische Publikationen angeblich alles von alleine leisten. Dass bei anspruchsvollen Texten inhaltliche Qualität und die Arbeit an einer angemessenen Präsentation für die Rezeption entscheidend sind, wird häufig übersehen. Gemeint ist zunächst die Struktur: die Anordnung der Bestandteile einer Publikation, wie zum Beispiel von Text und Abstract, Gliederung, Kolumnentitel, Marginalien und Apparat, von Einleitung, Anmerkungen, Anhang, Nachwort und Kommentar, von Glossar, Register, Tabellen, Abbildungen, die zu einem sinnvollen Ganzen zu fügen sind. Nicht weniger wichtig sind die technischen Merkmale eines Buches wie Format, Satz, Papier, Umschlag, Prägung, Vorsatz, Lesebändchen und andere Orientierungshilfen. Und schließlich die verwendeten Materialien: Bezugsstoffe, Kleber, Kartonagen und vieles mehr beeinflussen wesentlich Haltbarkeit, Nutzen und ästhetischen Wert der Publikation. Es ist eine genuin verlegerische Aufgabe, sich um den Inhalt und um die Form der Veröffentlichungen zu kümmern – eine effiziente, nachhaltige und angenehme Lektüre zu ermöglichen. Gerade die strukturelle, technische und ästhetische Beschaffenheit gedruckter Publikationen beweist ihre Konkurrenzfähigkeit (wenn nicht Überlegenheit) anderen Medien gegenüber. Es ist fraglich, ob die Komplexität eines hochwertigen gedruckten Buches – etwa einer kommentierten Edition eines Philosophen – von einem elektronischen Buch in absehbarer Zeit abgebildet werden kann. Entweder werden bis dahin noch weitere E-Book-Generationen an uns vorübergezogen sein, oder es werden neue Formen der Präsentation von Inhalten entstehen, die die traditionelle aber auch nicht einfach ablösen. Monografien, Leseausgaben oder historisch-kritische Editionen benötigen unterschiedliche Darstellungsformen und Hilfsmittel zur Erschließung. Gehalt und Struktur sollen deutlich werden, der Einstieg in die Thematik rasch gehen, Einleitung, Anmerkungen, editorische Berichte und Kommentare Aufschluss über die Textkon-stitution geben, Zusammenhänge herstellen und in die Thematik einführen. Die technischen Ausstattungsmerkmale eines Buches werden bestimmt von den Anforderungen, die der Text selbst stellt, von der geplanten Nutzung und von ökonomischen Gesichtspunkten. Preisgünstige Ausgaben für das Studium sehen anders aus als komplex strukturierte historisch-kritische Ausgaben. Beim Druck sollten umweltfreundliche Materialien zum Einsatz kommen; Alterungsbeständigkeit und Chlorfreiheit sind die Stichwörter. Die Zertifizierung der Lieferanten nach FSC wäre ein zusätzlicher Schritt zur Verantwortung für das Produkt Buch. Bücher gelten als langlebig, doch werden sie überwiegend in nicht sehr haltbarer Klebebindung hergestellt. Wo hingegen Fadenheftung zum Einsatz kommt und die Auswahl der Klebstoffe (Aufschlagverhalten!) besonders bedacht wird, ist ein weiteres Argument zur Hand. Gute Bücher kann man schon von außen erkennen, schlechte elektronische Publikationen meist erst dann, wenn man bereits dafür gezahlt hat. Wird die Bedeutung gedruckter Bücher unterschätzt? Und wird bei elektronischen Publikationen geschludert?