Ist das Café von Möbel-Hübner ein guter Ort für eine Lösegeldübergabe? Müßige Frage: Inmitten der Rentner, die an diesem tristen Januartag die Kaffeetheke in Berlin-Tiergarten belagern, fällt der smarte Mitfünfziger mit Hut und elegantem Schal sofort auf. Dass Frank Nowatzki einst als Punkgitarrist auf der Bühne des SO 36 gestanden hat und mehr als 25 Jahre passionierter Amateurboxer war, mag man kaum glauben. Inzwischen boxt er nur noch ab und an, im Garten gegen den Sandsack, »zum Spaß«.
Als Verleger hat er noch immer einen guten Punch: 2018, das 30. Verlagsjahr, ging nach Punkten an ihn. Bei der Kür zum neuen Berliner Verlagspreis schaffte es Pulp Master auf die Shortlist. Und mit Tom Franklins großartigem Südstaaten-Krimi »Krumme Type, krumme Type« gab es, wieder einmal, einen auch vom Feuilleton gefeierten Ausreißer im Programm.
Nicht ganz unerheblich für den Erfolg: Nikolaus Stingl, dessen Spektrum von John Cowper Powys bis zu Pynchon und Gaddis reicht, hat den »New York Times«-Bestseller (»Crooked Letter, Crooked Letter«) kongenial ins Deutsche übertragen. »Wir hatten ihn wegen des Vorgängerromans ›Smonk‹ angefragt, einer ziemlich wüsten, allerdings auch schier unübersetzbaren Western-Groteske. Zu unserer Überraschung hat er zugesagt – und auch den nächsten Roman übernommen, der dann in den USA sehr erfolgreich wurde.«
Die Verlegerei wurde Frank Nowatzki nicht in die Wiege gelegt, als er 1964 in der Berliner Gropiusstadt das Licht der Welt erblickte. Als er 1986 auf einer Reise in die USA im kalifornischen Berkeley über Black Lizard Books stolperte, muss das so etwas wie eine Offenbarung gewesen sein, gedruckter Punkrock: Der von Barry Gifford (»Wild at Heart«) gegründete Kleinverlag hatte sich auf Wiederveröffentlichungen von vergessenen Pulp-Autoren wie Charles Willeford oder Jim Thompson sowie neuere Stimmen wie Jim Nisbet spezialisiert. Lesestoff, der Nowatzki elektrisierte: »In Deutschland fand man so etwas zwar hin und wieder in der gelben Ullstein-Reihe, aber da erschienen eben auch Agatha-Christie-Häkelkrimis, das war ziemlich lieblos zusammengewürfelt.«
Der gelernte Verlagskaufmann schmiss seinen Job beim wissenschaftlichen Springer Verlag hin, kehrte nach Berlin zurück und gründete, ordentlich mit Businessplan und Bankkredit, einen deutschen Black-Lizard-Ableger. Sein Pech: 1990 wurde der US-Verlag an Random House verkauft. »Da gab’s dann gleich Anwaltspost. Das war ein Verlegen, auf das ich keine Lust hatte.«
Unterm Verlagsdach des umtriebigen, 2001 viel zu früh gestorbenen Erich Maas fand Nowatzki 1992 zunächst ein neues Zuhause für seine Pulp- und Noir-Reihe. Maas war es auch, der den damals nur in Insiderkreisen bekannten Hamburger Szenekünstler 4000, bürgerlich Thomas Egeler, für die Covergestaltung der Pulp-Master-Bände gewann. Damals fremdelte der Buchhandel, nicht nur wegen der ungewohnt wilden Optik: »Gary Disher, einer der ersten Autoren, hatte genau 67 Vormerker. Alle fragten sich: Krimis aus Australien? Warum machen die das?«
Längst ist die auf über 50 Titel angewachsene Reihe Kult; die Cover-Originale in Öl sind heiß gehandelte Raritäten. Nowatzki will sein Programm nicht in eine Schublade sperren, sein genreübergreifendes Motto lautet: »Beyond Crime Fiction, Pulp & Noir«. Folgerichtig, dass er, statt einzelne Autoren hervorzuheben, Wert aufs Gesamttableau legt: »Für mich ist die Reihe wie ein Kanon, eine ewige Bestenliste.« Dass die harte Kost bei vielen männlichen Journalisten gut ankommt, ist nicht unwichtig. Zwar informiert Pulp Master regelmäßig mit Vorschauen und ist bei den Vertreterinnen von Indiebooks in guten Händen – doch da keiner der Mitstreiter um Frank Nowatzki und Lektorin Angelika Müller allein vom Verlag lebt, kommen die Bücher meist mit Verspätung. Das Warten, so viel ist klar, lohnt sich fast immer.
Kein Wunder, dass auch aktuell ein kleiner Überhang besteht: Gerade arbeitet man noch an neuen Titeln von Derek Raymond und Paul Cain, Autoren, mit deren Büchern vor 30 Jahren alles begann. »Wir machen mit Franklin weiter, mit Disher, mit Nisbet. Es gibt haufenweise zu tun.«
Wenn dann noch Zeit bleibt, geht Nowatzki vielleicht mit Buddy Giovinazzo, einem erklärten Fan der Giants, zum American Football. Der zwischen Kreuzberg und LA, mittelguten »Tatorten« und Netflix-Plänen pendelnde Regisseur und Autor bescherte Pulp Master mit »Potsdamer Platz«, einer Berliner Mafia-Geschichte im Stil der »Sopranos«, einst ein Hammer-Buch. Vielleicht der richtige Mann, um im Serienzeitalter erneut eine tiefschwarze Geschichte zwischen Buchdeckel zu packen? Es wäre eine Pointe, die man dem jetzt ohne Lösegeld im Berliner Nieselregen verschwindenden Frank Nowatzki sofort gönnen würde.
Dieser Artikel ist zuerst in der Börsenblatt-Ausgabe 4/2019 erschienen!