Torsten Low, Gründer des gleichnamigen Verlags in Meitingen, hat sich auf deutschsprachige Phantastik spezialisiert. Er beobachtet den Trend, dass etablierte Autoren zunehmend in andere Genres abwandern, "etwa in den History-Bereich". Eine Chance für den Nachwuchs? "Gut möglich, dass durch diese Wanderbewegung ein Vakuum entsteht, das von Debütanten gefüllt werden kann", meint der Verleger. Carsten Polzin, Programmleiter Piper Fantasy, widerspricht dem. Für ihn wird der Markt weiterhin durch die üblichen Bestsellerautoren dominiert. "Man denke nur an Markus Heitz, Richard Schwartz, Michael Peinkofer, Bernhard Hennen oder Wolfgang Hohlbein", sagt er. Es gebe aber durchaus einige neue Stimmen: "Robert Corvus etwa – oder im jüngeren Segment Autorinnen wie Nicole Gozdek und Nina MacKay."
Dass man seltener von Debütanten hört, ist Polzin zufolge keinesfalls durch eine zu geringe Nachfrage nach deutschsprachigen Fantasy-Titeln zu erklären. Kathrin Dodenhoeft, Verlagsleiterin bei Feder & Schwert, stimmt zu: An Käufern mangle es nicht. "Fantasy macht in unserem Verlagshaus 95 Prozent des Gesamtumsatzes aus – das Geschäft läuft gut." Auch Jürgen Eglseer, der den Amrun Verlag in Traunstein leitet (ein Drittel Fantasy im Verlagsprogramm), schließt sich dem an: "Ob Urban-, High- oder romantische Fantasy: Reichhaltiger war das Angebot auf dem Markt bislang kaum – und es wird nachgefragt." Dass in den Läden weniger Bücher im Fantasy-Regal stehen, erklärt er damit, dass heute nicht jeder Titel unter dem entsprechenden Label geführt wird. "Oft läuft Fantasy allgemein als Jugendbuch."
Auch Kathrin Dodenhoeft weiß, dass ein großes Angebot der Fantasy-Literatur außerhalb des Mainstreams existiert. Erst auf entsprechenden Großveranstaltungen falle auf, wie facettenreich das Genre ist. "Bei der BuchmesseCon etwa, der Begleitveranstaltung der Frankfurter Buchmesse, war die Autorendichte in diesem Jahr sehr hoch", betont sie. Dort trafen sich sowohl etablierte Fantasy-Autoren als auch der Nachwuchs. Die Debütanten seien aber vor allem beim Self-Publishing zu finden. Eine Beobachtung, die Stefan Trautner teilt: "Viele junge Autoren wandern ins Self- oder E-Publishing ab", weiß der Geschäftsführer der Nürnberger Buchhandlung Ultra Comix, die mehr als 1.500 Fantasy-Titel im Bestand hat und ihr Programm jährlich um mehrere Hundert Titel erweitert. Über namhafte Verlage würden es nur noch wenige in den Buchhandel schaffen. "Selbst wir tun uns mit dem Verkauf von Newcomer-Titeln schwer", bedauert der Buchhändler.
Ein Grund dafür sei die ausländische Konkurrenz. Torsten Low kritisiert, dass viele Publikumsverlage das Risiko scheuen, junge deutsche Autoren unter Vertrag zu nehmen: "Ich kenne mehrere Verlage, die komplett auf Lizenzen umgestiegen sind." Stephan Askani, Lektor für phantastische Literatur bei Klett-Cotta (120 Fantasy-Titel im Programm), kann diesen Trend bestätigen: "In der Tat laufen manche amerikanische und britische Autoren besonders gut." Etwa Tad Williams, Anthony Ryan, Kevin Hearne, Patrick Rothfuss oder J.R.R. Tolkien.
Natalja Schmidt, Fantasy-Lektorin bei Droemer Knaur, verweist darauf, dass der US-Autor George R.R. Martin derzeit der meistverkaufte Fantasy-Schriftsteller auf dem deutschen Markt ist. Carsten Polzin begründet dies mit dem Ursprung der Fantasy im anglo-amerikanischen Raum. "In den 90er Jahren gab es außer Wolfgang Hohlbein fast niemanden, der als deutschsprachiger Autor in diesem Genre erfolgreich war." Das habe sich jedoch geändert: "Wir haben teilweise mehr als 60 Prozent deutschsprachige Autoren im Programm." Monika Trapp, Buchhändlerin in der Villa Herrmann in Ginsheim-Gustavsburg, betont in diesem Zusammenhang, dass eine originelle Story und eine packende Dramaturgie ausschlaggebend für den Verkauf seien – "und nicht das Produktionsland".
Für den Verkaufserfolg ist eine starke Präsenz des Autors wichtig, weswegen nicht nur Verleger Torsten Low für Mehrteiler plädiert. "Autoren sind eine Marke – und um den Erfolg der Marke aufrechtzuerhalten, muss regelmäßig nachgelegt werden." Buchhändler Stefan Trautner ergänzt: "Fantasy lebt von der Serienfähigkeit. Nur so lassen sich episch große Erzählansätze verwirklichen." Für Kathrin Dodenhoeft hingegen ist eine Reihe kein Muss: Wichtiger für die Vermarktung des Autors sei eine Präsenz auf Facebook, Instagram oder der Verlagswebsite, ebenso der direkte Kundenkontakt. "Events – in unserem Fall Conventions und Messen – sind eine Voraussetzung, um sich im Gedächtnis der Leser zu halten."
Für Amrun-Verleger Jürgen Egelseer ist eine Reihe kein Erfolgsrezept. Er hat die Erfahrung gemacht, dass sich Folgebände nach einem erfolgreichen ersten Teil meist schlechter verkaufen. Natalja Schmidt von Droemer Knaur stimmt dem zu: "Die Trilogie als Publikationsform ist schon längst kein Muss mehr in der Fantasy. Einzelbände und Dilogien werden vom Leser sehr gern angenommen." Sie sieht im Film ein Medium, das sich im Fantasy-Bereich besonders anbietet: "Verfilmungen sind oft ein Glücksfall für ein Buch, wie Tim Burtons Umsetzung von Ransom Riggs' 'Insel der besonderen Kinder'. Einzelne Lesungen und Events haben es da im Vergleich natürlich schwer, ebenso viel Aufmerksamkeit zu generieren." Es sei denn, man wagt etwas Neues. Schmidt verweist diesbezüglich auf eine Kampagne zu Markus Heitz' "Des Teufels Gebetbuch" – eine Lesereise, bei der Fans gegen den Autor Karten spielen konnten.
Neues zu wagen sei definitiv ein Schlüssel zum Erfolg, meint auch Verleger Torsten Low: "Oft wird das von den Lesern entsprechend honoriert." Als Beispiel nennt er den Roman "Die Herbstlande", der von insgesamt vier Autoren geschrieben wurde. Piper-Programmleiter Carsten Polzin sieht den potenziellen Erfolg eines Titels in erster Linie im Inhalt begründet.
"Gerade in einem Genre wie Fantasy, das sehr treue und kritische Fans hat, zählt letztlich die Qualität des Buches, um nachhaltigen Erfolg zu schaffen." Auch Buchhändlerin Monika Trapp schließt sich dem an: "Es gelten Qualitätskriterien wie für jedes andere Genre auch. Wir brauchen Überraschendes – und kein ständiges Aufkochen von einmal erfolgreichen Themen."
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Dieser Artikel ist interessant und traurig zugleich. Ein Kai Meyer, ein Herr Hohlbein oder eine Cornelia Funke haben auch mal irgendwann eine Chance bekommen. Ich finde, Verlage sollten grade deshalb jungen, unbekannten Autoren/innen ihre Papier geben, denn vielleicht haben grade sie noch neue und bisher unangetastete Geschichten oder Nuancen aus dem Genre zu erzählen!