Die Sonntagsfrage

"Wie sind Sie an den Blauen Engel gekommen, Frau Brosius?"

17. Juni 2016
von Börsenblatt
Besonders wenig Emissionen und Papierabfälle - am 21. Juni bringt die Stiftung Warentest ihr erstes Buch heraus, das nach den neuen Kriterien des Blauen Engel für Druckerzeugnisse gedruckt wurde. Wie das mit der Zertifizierung funktioniert und warum sich der Aufwand für die Stiftung Warentest lohnt, erklärt Herstellungsleiterin Rita Brosius.

Eine umweltfreundliche Produktion verfolgen wir bereits seit vielen Jahren. Unser Fokus liegt dabei auf der Verwendung von Recyclingpapier für unsere Publikationen. Im letzten Jahr erreichten wir eine Quote von über 90 % bei den Buchproduktionen und Zeitschriften. Seitdem im Jahr 2008 die Umwelt-AG in der Stiftung Warentest ins Leben gerufen wurde, haben wir verstärkt auf weitere Umweltaspekte in der Herstellung unserer Publikationen geachtet und verzichten auf UV-Lackierungen, den Einsatz von PVC als Kaschier-/Umschlagmaterial, lassen ausschließlich in Deutschland produzieren und haben nun – in letzter Konsequenz – den Blauen Engel für Druckerzeugnisse, die RAL-UZ 195, realisiert.

Wir haben zuerst überlegt, für welchen Buchtitel die Beantragung des Blauen Engels Sinn macht, denn es durften keine Kaschierungen, keine Sonderfarben oder sonstigen Veredelungen verwendet werden. Außerdem sind nur Papiere erlaubt, die bereits die Auszeichnung mit dem Blauen Engel haben.

Danach begann die Recherche nach einem Dienstleister, der die weiteren Anforderungen an den Blauen Engel für Druckerzeugnisse umsetzen kann. Die Druckerei muss nämlich ein Umwelt-, Energie- und Abfallmanagement implementiert haben, mit mineralölfreien Farben drucken und bestimmte VOC-Emissionen einhalten. Zu dem damaligen Zeitpunkt konnte im Bereich Bogenoffsetdruck nur ein Dienstleister ein Angebot abgeben.

Die größte Herausforderung entstand allerdings an einer ganz anderen Stelle: und zwar beim Leim für die Klebebindung. Es musste recherchiert werden, welcher Leim den Anforderungen an die RAL-UZ 195 genügt.  Mit einem völlig neuen Kleber, der bei Buchproduktionen noch nie eingesetzt wurde,  mussten wir Tests durchführen lassen, die dann wiederum beim RAL eingereicht und schlussendlich freigegeben wurden. Die Abwicklung der Zertifizierung übernimmt übrigens die beauftragte Druckerei, sie reicht die geforderten Unterlagen beim RAL ein. Bei Vertragszusage wird eine Gebühr an die RAL fällig, die ebenfalls über den Druckdienstleister abgerechnet wird.

Derzeit ist die Buchproduktion mit dem neuen Blauen Engel für Druckerzeugnisse teurer als eine übliche Produktion, in der nur auf den Einsatz von Recyclingpapier geachtet wird und die Druckereien müssen vor der eigentlichen Zertifizierung bereits einen hohen Aufwand erbringen und über 12 Monate Daten über  ihr Umwelt-, Energie- und Abfallmanagement sammeln, um damit ihre umweltfreundlichen Produktionsbedingungen zu belegen. 

Da nicht jedes Buch die gleiche Ausstattung wie unser Titel „Der kleine Kinderarzt“ haben wird, werden auch nicht alle Bücher den Blauen Engel für Druckerzeugnisse tragen. Denn wir möchten den Kunden auch weiterhin gerne haptische Erlebnisse mit Halbleinen-Büchern, Fadenheftung, Leseband u. ä. bieten. Aber wir werden daran arbeiten, auch diese anderen Materialien der Umweltprüfung zu unterziehen, d. h. das Produkt soll am Ende recycelfähig sein.

Verlagen, die sich neu für die Herstellung umweltfreundlicher Bücher interessieren, empfehle ich, ihre Produkte Schritt für Schritt umzugestalten. Denn mit jeder neuen Anforderung wächst der Horizont für den umweltfreundlichen Einkauf von Produkten und dieses neu erlangte Wissen hilft, neue Hürden zu nehmen und Skepsis – sei es aus dem eigenen Haus oder von Dienstleistern – mit fachlichen Argumenten  zu begegnen.

Der Blaue Engel für Druckerzeugnisse begeistert uns, da damit erstmalig ein Standard eingeführt wurde, den alle Dienstleister gleichermaßen zu erfüllen haben und der für den Auftraggeber transparent gestaltet ist. Er sensibilisiert den Verlag für weitergehende Prozesse in der Produktion und macht nicht halt beim Einsatz von Recyclingpapier und mineralölfreien Farben. Damit werden weitere Grundlagen gelegt, in allen Prozessen umweltfreundlich zu denken.