Kongress Deutsche Fachpresse 2016

Flugstunde für Delfine

10. Mai 2016
von Börsenblatt
Was tun, wenn die Reichweite der Zeitschrift sinkt? Die Produktorientierung aufgeben, die Kundenperspektive einnehmen, die Zielgruppe so genau wie möglich analysieren und sie mit den (gleichen) Inhalten über alle Kanäle und Plattformen ansprechen. So sieht es Gerrit Klein, Geschäftsführer des Ebner Verlags, in seinem Vortrag "Wenn Delfine fliegen oder: Wie Verlage wieder wachsen können".

Damit Delfine fliegen lernen, müssen sie - um im Bild zu bleiben - ihren Delfinsprung-Modus aufgeben. Nichts anderes müsse auch in Fachzeitschriftenredaktion passieren, so Klein. Nur einmal, zum Erscheinungstermin des Magazins, zu springen und sich anschließend wieder im warmen Wasser zu tummeln, genüge heute nicht mehr.

Viele Maßnahmen seien nötig, so der erfahrene Fachpublizist, um eine Neuorientierung einzuleiten. Die erste und vielleicht wichtigste: Keine Innovationen in alten Strukturen! Für Ebner bedeutete dies: Personalumbau und Weiterbildung eines Kernteams zu "Transaction Editors" - Redakteuren, die in der Zielgruppe Impulse auslösen, die sie zu Transaktionen im magazineigenen Shop animieren.

Klein referierte eine Reihe von "Learnings", die man im eigenen Verlagshaus gemacht hat. Eine Erkenntnis ist: Wenn der Inhalt publiziert ist, fängt die Arbeit erst an. Es gilt, den "Content" in vielfältigster Weise für die Zielgruppe zugänglich zu machen. Dazu muss er recycelt werden, muss in "Minimum Content Units" zerlegt werden, die mehrfach, in verschiedenen Kombinationen, auf allen Plattformen dargeboten werden sollen. Nur so könne man die gesamte Zielgruppe mit seinen Inhalten erreichen.

Die Gewohnheiten der Zielgruppe wiederum muss man genau kennen: ihr Suchverhalten, ihr Social-Media-Verhalten, die von ihr aufgesuchten E-Commerce-Plattformen. Dazu gehört auch eine präzise Keyword-Ermittlung (via searchmetrics zum Beispiel) um herauszufinden, was die Nutzer interessiert.

Das Berufsbild des Fachredakteurs wandelt sich dadurch grundlegend: "Der Redakteur ist selbst für die Reichweite seines Magazins verantwortlich." Er wird zum Vermarkter der Inhalte, deren Funktion auch dazu dient, Leser in die angeschlossenen Shops zu locken, die physische Artikel im Kontext der Zeitschrift anbieten - zum Beispiel Räuchermännchen in Feuerwehruniform.

Auch wenn nicht jeder Redakteur Stunden beim Delfintrainer nehmen muss: Gerrit Kleins Vortrag zeigte, wie es gelingen kann, Aufmerksamkeit auf die Inhalte von Fachzeitschriften zu ziehen und so trotz anhaltenden Print-Schwunds die Reichweite signifikant zu erhöhen. 

roe