Regina Denk über die Moden beim Kochbuch

Jetzt mit Coolnessfaktor

7. April 2016
von Börsenblatt
Du bist, was du isst – wenn Essen plötzlich Lifestyle wird, dann müssen auch die Verlage umdenken. Regina Denk von teNeues über die neuen Parallelen zwischen Food und Fashion.

Lange Zeit waren Kochbücher Arbeitsmittel und Handwerkszeug der Hausfrau und gehörten zur Küche wie die Kittelschürze. In den vergangenen Jahren hat sich dieses Bild gewandelt. Essen, neuerdings "Food" genannt, ist zum Lifestyle-Thema geworden. Gekocht wird plötzlich nicht mehr gegen den Hunger. Was man oder frau isst und in Töpfe, Pfannen oder den all­gegenwärtigen Blender wirft, ist Verlängerung der Persönlichkeit geworden, Statussymbol. Früher haben das Auto in der Garage, die Garderobe im Schrank, die Handtasche oder Uhr sichtbar gemacht, was heute der Inhalt des Einkaufskorbs, die monatliche Lieferung vom Feinkost-Onlineversand oder die Designer-Loftküche ist. Kochen ist die neue Mode. Weit weg von Kittelschürze ist Essen so sexy wie nie, Paleo das neue Schwarz.
 
Ganz nach dem Vorbild Fashion entwickeln sich auch in der Foodbranche plötzlich Must-haves und No-Gos. Es zählt nicht mehr was schmeckt, sondern was gerade in ist: grüne Smoothies, vegetarisch, vegan, Superfoods, Clean Eating – ein Trend jagt den nächsten.
Die Autoren, als Designer hinter diesen kulinarischen Schöpfungen, müssen ihre Anhänger immer wieder neu begeistern. Lange schon zählt nicht mehr nur die Qualität des Inhalts, sondern vor allem die Umsetzung. Kochen ist Lifestyle, Kochen ist schick, also muss auch das Kochbuch ordentlich an Coolness und Want-Faktor zulegen. Denn diese neuen Bücher sollen nicht mehr nur in der klassischen Buchhandlung mit­genommen werden, sondern sich auch ihren Platz in den trendigen Concept Stores der Hauptstadtmetropolen verdienen. Gekauft wird nicht mehr zum Daraus-Kochen, sondern zum Zurschaustellen.
Für die Verlage – egal, ob Profi im Rat geben oder Profi im Couchtisch verschönern – eine Chance, aber auch eine Herausforderung, denn beide Seiten müssen Neues lernen. Die einen das Vergolden, die anderen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. In der unsicheren Antwort auf die Frage, was denn nun gerade angesagt ist, neigt man dazu, sich an der Masse zu orien­tieren: Promikoch, Goji-Beeren und Avocado. Schnell vergisst man dabei, dass nicht jedem alles steht und Maßschneiderei besser aussieht als von der Stange gekauft.
Was aber tun, wenn es sich mit Kochen und Essen plötzlich verhält wie mit der Mode und ganz neue Regeln gelten? Dann lohnt sich für die Verlagswelt vielleicht der Blick über den Tellerrand der eigenen Branche: Die großen Investitionen machen sich bei zeitlosen Klassikern und einzigartiger Qualität bezahlt.
Bei den sich immer schneller drehenden Trends braucht es Tempo, Gespür und Kalkül, vor allem aber eine ordentliche Portion Mut und Selbstvertrauen, um den nächsten Superhit zu landen. Ein rotes Kleid will schließlich auch gekonnt getragen werden. Und wer sich noch nicht ganz sicher ist, was ihm denn eigentlich steht, der holt sich am besten schnellstens eine gute Stilberatung zu Hilfe, denn die nächste Food-­Fashion-Week steht schon in den Startlöchern.