Stiftung Buchkunst

Karin Schmidt-Friderichs hört als Vorsitzende auf

22. Dezember 2015
Redaktion Börsenblatt
Seit 2011 ist Karin Schmidt-Friderichs Vorstandsvorsitzende der Stiftung Buchkunst, die sie nach mancherlei Turbulenzen wieder in ruhigeres Fahrwasser gebracht hat. "Die Zukunft für die Stiftung ist jetzt gesichert", zieht Schmidt-Friderichs Resümée − und hat entschieden, ihr Amt vorzeitig niederzulegen. boersenblatt.net fragte die Verlegerin nach den Hintergründen.

Auch wenn Sie immer betont haben, "Ich mache ein Ehrenamt nicht ewig", kommt der Schritt doch überraschend. Warum hören Sie anderthalb Jahre vor Ablauf der regulären Amtszeit auf?

Meine Devise war und ist in allem Engagement erstens: Ich klebe nicht an Ämtern, sondern engagiere mich und lasse dann auch wieder los. Zweitens: Ich gehe erst, wenn ich das Gefühl habe, meine Hausaufgaben gemacht zu haben. Als ich 2011 vom Börsenvereinsvorstand gebeten wurde zu überlegen, wie man die Aufmerksamkeit für die Stiftung Buchkunst und "Die schönsten deutschen Bücher" steigern könne, war mir bewusst, dass dies nur über einen klaren Change-Prozess gelingen könnte. Was naturgegeben mit entsprechend viel Arbeit verbunden ist. Wir haben uns in den Jurys fortan auf "Handelsbücher" fokussiert, damit die Prämierung unter den Schönsten für den Buchmarkt Relevanz bekommt. Wir haben Hans Frieden als "Botschafter des schönen Buches" gewonnen, der die Arbeit und die Beurteilungskriterien ins Sortiment transportiert. Die Kategorien, in denen Bücher eingesandt werden können, wurden auf fünf reduziert und die Zahl der prämierten Titel von über 50 auf fünf je Kategorie. Den mit 10.000,- Euro dotierten Preis der Stiftung Buchkunst erhält seit 2012 ein einziges Buch mit Leuchtturmfunktion. All diese Anstrengungen, finde ich, haben sich gelohnt.

Wie sieht denn Ihre Bilanz Ende 2015 aus?

Allein in diesem Jahr haben 60 Veranstaltungen und Ausstellungen mit den 5 x 5 prämierten Titeln in Buchhandlungen stattgefunden, das heißt, die Idee ist im Handel angekommen – die Bücher werden inzwischen auch tatsächlich besser verkauft, was vor drei Jahren eher die Ausnahme war. Der schönste Moment war in diesem Jahr übrigens für mich, als mir eine gestandene Buchhändlerin sagte, ihr sei durch Arbeit in der Jury der Stiftung Buchkunst und die Auseinandersetzung mit den Beurteilungskriterien noch einmal ganz neu bewusst geworden, mit welchem besonderen Medium sie seit Jahren arbeite. Durch die Reduzierung auf wenige Titel und dadurch, dass es uns gelungen ist, so hervorragende Journalisten wie Christoph Amend und Andreas Platthaus für die Jury oder Felicitas von Lovenberg als Laudatorin zu gewinnen, nimmt nun auch das Feuilleton "Die schönsten Bücher" wahr. Sie sind nicht mehr länger nur für Insider von Bedeutung, sondern erzielen Breitenwirkung.

Mit entsprechenden Umsätzen?

Ich denke ja, weil eine ernst- und wahrgenommene Auszeichnung ja auch Kaufinteresse weckt. Wenn die Presse inzwischen angefangen hat, auch über die Inszenierung von Büchern  zu schreiben und nicht "nur" über deren Inhalt, dann ist der Anreiz doppelt so groß, als Leser diese Titel im stationären (!) Handel anzufassen, durchzublättern, sie haptisch zu erobern – und für den Handel, diese Titel auch dahingehend zu inszenieren.

Trotz der sichtbaren Erfolge wollen Sie aber nun demissionieren.

Zwischen die Stiftung Buchkunst und mich passt weiterhin kein Blatt Papier. Das wird mit Sicherheit so bleiben. Nichtsdestotrotz war 2015 ein Jahr mit großen, um nicht zu sagen existenzgefährdenden Turbulenzen, die mich einfach viel Kraft und Energie gekostet haben. Mit den Überlegungen des Börsenvereinsvorstands, sich aus der Finanzierung der Stiftung Buchkunst zurückzuziehen, entstand eine äußerst komplizierte Situation – denn die Satzung sieht gar keinen Rückzug vor. Die Idee, eine Stiftung statt mit festem Kapital mit jährlich zufließendem Kapital zu gründen, stammt aus den 1960er Jahren, als man noch unerschütterlich an permanentes Wachstum glaubte. Und wenn nun einer der vier Stifter ausgestiegen wäre, hätten die anderen ihr Engagement ebenfalls eingestellt. Kurz, es ist nur mit sehr viel diplomatischem Geschick - ganz besonders auch von Seiten des Börsenverein-Hauptgeschäftsführers Alexander Skipis - gelungen, die Stiftung trotz unterschiedlicher juristischer Auffassungen in ruhiges Fahrwasser zu bringen: Durch die jährlichen Beiträge von Börsenverein, AuM und MVB sowie eben der Stifter Frankfurt, Leipzig und der Deutschen Nationalbibliothek ist die Zukunft der Stiftung Buchkunst jetzt gesichert. Die Stiftung kann auf ihrem hervorragenden Ruf ebenso weiter aufbauen wie auf einem tollen Team um Katharina Hesse, das sich grade in Krisenzeiten bewährt hat. Das Netzwerk ist gepflegt und solide. Es geht also nichts schief, wenn ich jetzt als Vorstandsvorsitzende aufhöre.

Vor allem haben Sie den großen Zeitaufwand in diesem Jahr als Grund angeführt, schließlich ist der Vorsitz ein Ehrenamt neben Ihrer Arbeit als Verlegerin. Aber hätten Sie – gerade nach der Existenzsicherung der Stiftung Buchkunst – nicht beruhigt ins nächste Jahr gehen und den 50. Geburtstag der Stiftung genießen können?

Ich hatte das ehrlich gesagt gehofft, aber ich habe durch die Auseinandersetzungen der letzten Monate im Moment einfach nicht mehr die Offenheit, die teils unverfrorene Leichtigkeit und den Optimismus, mit dem ich so viel bewegt habe und den die Stiftung unbedingt braucht - Eigenschaften, die mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin auch mitbringen sollte. Ich brauche jetzt einfach ein bisschen Abstand und Zeit, die persönliche Verletzung, die ich im Engagement für die Zukunftssicherung der Stiftung hintangestellt habe, heilen zu lassen. Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt ist schwer zu beantworten, es ist immer entweder zu früh oder zu spät; und ich höre lieber "Was, oh nein!" als "Wann geht die denn endlich?" Vielleicht ist mir aber in der Zeit der Weihnachtswünsche ein Wunsch erlaubt - dann wäre es,  dass wir in der Branche die Frage aufwerfen: Wie gehen wir eigentlich unter Ehrenamtlichen miteinander um? Das Ehrenamt ist ja eine Mischung aus Ehre und Amt, es ist eine Belastung neben der eigentlichen, in diesen Zeiten ja auch nicht unbedingt relaxten Arbeit. Generell gehört für mich zu einer guten Zusammenarbeit die Kommunikation auf Augenhöhe. Wenn "höhere Ehrenamtler" über den Kopf "niedrigerer" hinweg entscheiden – das geht nicht.  Das Miteinander ist entscheidend, sonst findet der Verband künftig keine Ehrenamtlichen mehr. Die braucht er aber dringend! Und in zwölf Jahren ehrenamtlichem Engagement im Börsenverein kannte ich bis Mai dieses Jahres einen solchen Umgang miteinander nicht. Ich wünsche mir, dass wir die Kultur, für die wir nach außen stehen, intern nicht vergessen.