Die in Berlin vorgestellten Studien über die Auswirkungen der Buchpreisbindung belegen nicht nur die positiven Effekte auf Breite und Vielfalt des Angebots im Markt, sondern liefern zugleich auf einer umfassenden Datengrundlage Einsichten in die Funktionsweise des Buchhandels.
Und dabei kommt, wie vor allem die Studie der JLU Gießen um Professor Georg Götz zeigt, dem stationären Buchhandel eine tragende Rolle zu. Die große Zahl an unabhängigen Sortimenten und – im Falle der Buchhandelsketten – an Filialen trägt wesentlich zur Verbreitung des Buchangebots und damit des Buchabsatzes bei. Zwar ist die Zahl der physischen Buchhandlungen in Deutschland von 7.600 im Jahr 2000 auf 4.500 im Jahr 2018 gesunken, - pro Kopf sind es aber laut Götz in Deutschland immer noch deutlich mehr als in Großbritannien und in den USA. Auch der Anteil der stationären Buchhandlungen ist mit 50 Prozent (30 Prozent durch unabhängige, 20 Prozent durch Filialisten) beinahe doppelt so hoch wie in Großbritannien. Hat der Online-Buchhandel in UK einen Marktanteil von 45-50 Prozent, so sind es in Deutschland nur rund 20 Prozent.
Welchen Effekt die Schließung von stationären Buchverkaufsstellen auf den Absatz hat, konnten Götz und sein Team ermitteln: Mit jeder Buchhandlung, die schließt, werden im Schnitt pro Jahr 6.116 Bücher weniger verkauft. Zwischen 2014 und 2017 ging der Verkauf von gedruckten Büchern um vier Prozent zurück, die Erlöse mit digitalen Büchern nahmen im selben Zeitraum um 19 Prozent zu. Unter dem Strich schrumpfte der Absatz um zwei Prozent, davon wiederum sind 56 Prozent oder absolut 3,455 Millionen weniger verkaufte Bücher auf die Schließung von Verkaufsstellen zurückzuführen. Wäre im Untersuchungszeitraum keine Buchhandlung geschlossen worden, hätte der Absatzrückgang nur bei rund einem Prozent gelegen.
Würde die Zahl der Buchhandlungen erheblich sinken, weil etwa die Buchpreisbindung abgeschafft worden wäre, sänke auch die Absatzzahl drastisch, so Götz. Die Verluste durch die Schließung einer Buchhandlung würden nicht durch ein Abwandern der Kunden zum Online-Handel oder durch den Umstieg auf E-Books aufgefangen. Besonders in ländlichen Gegenden, wo eine benachbarte Buchhandlung fern ist, würde sich der Absatzverlust bemerkbar machen.
Dieses Ergebnis zeigt sehr eindrücklich, wie wichtig eine dichte Buchhandelslandschaft für die Verbreitung, Sichtbarkeit und Zugänglichkeit von Büchern ist. Die gesamte Branche, und erst recht die Verlage, dürfte demnach ein Interesse daran haben, die Zahl der Verkaufsstellen hoch zu halten. Mehr Onlinehandel würde die Verluste nicht in vollem Umfang kompensieren.
Stationäre Händler als Bestseller-Macher
Doch nicht nur die Absatzzahl gilt es hochzuhalten – der stationäre Buchhandel ist ein wesentlicher Treiber, wenn es um die Bekanntmachung und die Verkäuflichkeit weniger bekannter Bücher und Autoren geht. Götz und sein Team haben sich hier Top-20-Titel angeschaut, die zwischen 2011 und 2018 auf den Bestsellerlisten standen, aber drei oder mehr Wochen benötigten, um in die Top 20 zu kommen. Insgesamt handelt es sich dabei um 420 Titel, von denen 237 nur dank der Verkaufsanstrengungen des stationären Buchhandels, und 171 dank des kombinierten Effekts der Absatzkanäle Sortiment und E-Commerce in die Top 20 aufstiegen.
Wenn es um zunächst weniger bekannte Autoren geht, spielt der unabhängige Buchhandel in vielen Fällen noch eine Sonderrolle. So sorgten die Independents etwa bei Dörte Hansens Buch "Altes Land" mit einem Umsatzanteil von 85 Prozent dafür, dass der Titel unter die Top 20 kam, Filialisten und E-Commerce steuerten nur 15 Prozent bei. Und so wurde auch das Buch eines bis dato wenig bekannten Schriftstellers, Robert Seethalers Roman „Der Trafikant“, zu einem Best- und Longseller, wie Annerose Beurich, Inhaberin der Buchhandlung stories! In Hamburg-Eppendorf, in Berlin sagte. Für dieses Buch hätte sie und hätten ihre Kolleginnen im Buchhandel sich mit großem Engagement eingesetzt. Der wiederholte Satz „Dieses Buch müssen Sie lesen“ habe dieses Buch großgemacht.