Nach Abschluss der gemeinsamen Roadshow mit dem Börsenverein hat sich der vorläufige KNV-Insolvenzverwalter Tobias Wahl heute in Düsseldorf den Fragen der Branchenpresse gestellt. Wahl zeigte sich dabei guter Dinge, ruhig, beeindruckt von der Solidarität der vergangenen Wochen – und überzeugt davon, dass es für KNV als Unternehmensgruppe einen Ausweg aus der Schulden-Misere geben wird: durch einen Investor.
Unter Termindruck sieht er sich nach eigener Aussage in puncto Investor nicht, betonte, "wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen – allen sonstigen Nachfragen zu dem Thema wich er weiträumig aus. Welche Schritte Tobias Wahl jetzt plant:
- Zunächst will er sich Klarheit über sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten der sieben insolventen Firmen der KNV-Gruppe verschaffen, en detail. Dieser Prozess soll bis etwa Mitte April abgeschlossen sein (siehe Archiv: Neue Regeln für offene Rechnungen und Gutschriften).
- Die Informationen, die er aus dieser Analyse gewinnt, bilden dann die Basis für sein Gutachten, das er beim Amtsgericht Stuttgart einreichen muss. Wahl geht darin auf die Finanzlage ein und beschreibt das Vermögen, will hier auch erstmals den Grund für die Insolvenz nennen (Überschuldung).
- Da KNV ab Mai die Gehälter für seine Mitarbeiter laut Insolvenzordnung wieder selbst zu tragen hat, will der vorläufige Insolvenzverwalter bis dahin möglichst alles geregelt haben: Das Gutachten soll Wahl zufolge spätestens Ende April fertig sein und dem Gericht vorliegen; das Gericht entscheide dann – voraussichtlich zum 1. Mai – ob das Verfahren eröffnet werde.
- Sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist – Wahl rechnet aktuell fest damit ("genügend Substanz ist vorhanden") –, können Gläubiger ihre Forderungen für die Insolvenztabelle einreichen. Spätestens drei Monate, in der Regel aber sechs bis acht Wochen nach Eröffnung findet laut Gesetz die erste Gläubigerversammlung statt. Derzeit geht Wahl von einem Termin Ende Juni/ Anfang Juli aus. Für ihn ist das zugleich der Zeitpunkt, über die Ursachen der Insolvenz zu sprechen – vorher nicht.
Was nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, ist noch unklar – selbst Wahl kann darüber noch nichts sagen, weil es bislang, wenigstens offiziell, keinen Investor gibt. Und den braucht es in jedem Fall: Aus eigener Kraft kann sich KNV nicht retten. "Eine Sanierung mit Bordmitteln ist nicht denkbar", machte Wahl heute deutlich.
Eine Zerschlagung forciert Wahl nicht, er möchte nach wie vor die KNV-Gruppe als Ganzes erhalten und hat dafür auch schon eine Lösung eingekreist, wie er heute durchblicken ließ: eine sogenannte übertragende Sanierung. Das meint: Der Käufer übernimmt alles, was zum operativen Geschäft gehört (Aktiva), gründet damit eine neue Gesellschaft und macht weiter – befreit von den Altschulden.
Im Insolvenzrecht gilt das als entscheidender Vorteil, an das Verfahren knüpfen sich einige Hoffnungen: Per Schuldenschnitt ließen sich die betroffenen Unternehmen am ehesten wieder auf Touren bringen, könnten sich besser erholen und weitgehend unbelastet von alten Problemen neu durchstarten – so lautet die Idee dahinter.
Die Altschulden verbleiben unterdessen beim insolventen Unternehmen und werden dort mit dem Kaufpreis "abgeglichen", den Rest erhalten später die Gläubiger. "Eine Insolvenz kann auch eine Chance für ein Unternehmen sein", erklärte Wahl. Gefragt nach der aktuellen Lage, hieß es von ihm: Alles laufe stabil, die meisten Verlage lieferten wieder – der Anteil der Meldenummer 15-Titel liege bei vier bis sechs Prozent (üblich seien drei Prozent). Das Umsatzvolumen sei leicht gesunken.
Die zusammen mit dem Börsenverein organisierte Roadshow durch Deutschland führte Tobias Wahl mitten hinein in eine Branche, die er bis zum 15. Februar – seinem ersten Arbeitstag als vorläufiger Insolvenzverwalter von KNV – nur als Kunde kannte. Heute, nach all den Gesprächen mit Verlagen und Buchhändlern, wisse er, dass es tatsächlich so sei wie angenommen, sagte er: "Es geht der Branche nicht nur um Geld, sondern um Bücher und Inhalte."
Die Buchbranche sei besonders, so Wahl. Das erkenne er vor allem an der "unglaublichen Solidarität" der vergangenen Wochen, das erkenne er aber auch an der Unterstützung durch den Börsenverein. Die Roadshow mit ihren gut 500 Teilnehmern sei sehr hilfreich gewesen. "Für den direkten Kontakt zu Verlagen und Buchhändlern sind wir sehr dankbar." Die drängendsten Fragen seien nun geklärt.
Laut Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang ging es bei den acht Roadshow-Terminen in erster Linie um den Stand bei Remissionen und Fragen zum Eigentumsvorbehalt – beide Themen werden auch im FAQ des Börsenvereins behandelt. Nächste Woche, noch vor Beginn der Leipziger Buchmesse, bei der Sprang und sein Team von der Rechtsabteilung erneut zur Insolvenz berät (siehe Archiv: Börsenverein berät auf Leipziger Buchmesse), soll es eine aktualisierte Fassung geben.
Ein drittes Thema, das auch bei den Veranstaltungen immer wieder ins Zentrum rückte, ist das Thema: Umsatzausfälle und Folge-Insolvenzen. Betroffen sind hier, wie berichtet, vor allem Verlage ohne Warenkreditversicherung – darunter viele kleine. Von dem Geld, das ihnen KNV für Lieferungen bis zum Insolvenzantrag (Stichtag: 14. Februar) schuldet, werden sie allenfalls einen Teil sehen, betonte Sprang – und auch das vermutlich erst in ein paar Jahren. Betroffenen Unternehmen empfehle er daher, "alle vor der Insolvenz entstandenen Forderungen aus der Jahres- und Liquiditätsplanung herauszunehmen".
Von Folge-Insolvenzen, ausgelöst durch Verluste aus dem Weihnachtsgeschäft, sei ihm bislang nichts bekannt. Sprang mochte auch nicht spekulieren, ob es dazu kommen könnte: Der finanzielle Schaden sei zwar immens, aber "Verlage sind widerstandsfähig".
Das FAQ des Börsenvereins zur KNV-Insolvenz zum Download (für Mitglieder).
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