Jahrestagung der Bahnhofsbuchhändler

"Wir wollen, dass Reisende bei uns verweilen"

24. April 2024
von Matthias Glatthor

Am 22. und 23. April fand die Jahrestagung des Verbands Deutscher Bahnhofsbuchhändler (VDBB) im Hilton Hotel in Berlin statt. Das Programm am zweiten Tag moderierte erneut locker und sympathisch Andrea Thilo, die die "Impulsgebenden" begrüßte und mit ihren klugen Fragen nach den Vorträgen zusätzliche Informationen herauskitzelte.

Moderatorin Andrea Thilo und die drei Referentinnen im ersten Teil des Programms: Sarah von Nordheim, Sinja Schütte und Katja Diehl (v.l.)

Zur öffentlichen Jahreshauptversammlung war der mit Teppichboden ausgelegte Saal im Hilton Hotel am Berliner Gendarmenmarkt gut gefüllt, während im Vorraum fleißige Hände die Verlagsstände für die kleine Buchmesse am Nachmittag bestückten. Insgesamt waren es laut Veranstalter mehr als 200 Teilnehmende. Moderatorin Andrea Thilo begrüßte das Publikum und führte, wie schon in den vergangenen Jahren, charmant und informativ durch den Vormittag. Mit "Magazine neu entdecken – warum wir genau jetzt auf Print-Produkte setzen", lieferte Sinja Schütte, Chefredakteurin Land und Leben der Deutschen Medien-Manufaktur, mit ihren Ausführungen zum Magazin "LandLust" ein Beispiel für einen "konstruktiven Geist", der auch von der Tagung ausgehen solle, wie Torsten Löffler, Vorsitzender des Verbands Deutscher Bahnhofsbuchhändler (VDBB), später betonte. Mit hochwertigen Print-Magazinen wolle man dem "digitalen Informations-Overload" etwas entgegensetzen, mit dem "Sound of Papier" ein Wohlfühlgefühl, Ruhemomente auslösen. Das Bekenntnis zu Print hörten die Bahnhofsbuchhändler gern, wie auch Schüttes Aufruf in den Saal: "Es braucht gute Zeitschriften. Es braucht sie, um diese Magazine in die Welt zu bringen."

Torsten Löffler (Mitte) zu Besuch am Tisch der Edition Rauchzeichen, die zum ersten Mal auf der Buchmesse vertreten war

"Showroom für die Pressevielfalt"

Torsten Löffler sagte in seiner Ansprache, dass sich die Umsatzentwicklung im Bahnhofsbuchhandel stabilisiert habe, obwohl das Vor-Corona-Niveau noch nicht ganz wieder erreicht sei – und insbesondere beim Buch sei ein positiver Trend zu verzeichnen. Das bestätigt ein Blick in den Geschäftsbericht 2023 des VDBB, der davon spricht, dass die Umsätze im Bereich Buch um bis zu 15 Prozent gestiegen sind. Löffler hebt hier etwa englische Taschenbücher hervor. Konkrete Umsatzvolumina nennt der Geschäftsbericht nicht, auch auf der Tagung waren diese kein Thema.

Mehr Mobilität führe zu mehr Frequenz auf den Bahnhöfen, so Löffler weiter, das könne sich weiter positiv auf den Umsatz auswirken. Für die Zukunft gehe es darum, den optimalen Angebots-Mix für die Bahnhofsbuchhandlungen zu finden und zudem müsse die Einkaufs- und Aufenthalts-Qualität mehr in den Fokus gerückt werden. Man wolle Rückzugsorte bieten, aber nicht einfach eine Couch in die Ecke stellen, so Löffler: "Wir wollen Welten schaffen". Der Bahnhofsbuchhandel sei der Showroom für die Pressevielfalt. Daran wolle man festhalten. Denn es gebe sie ja: "Medienmarken, die in Print investieren und dank einer mutigen Preispolitik stabile oder gar wachsende Umsätze verzeichnen".

Der Bahnhofsbuchhandel vertraue darauf, dass seine Partner ihre Zusagen einhalten und neue Kooperationen Früchte tragen. Und dass sich die Investitionen der Branche in ihre rund 490 Verkaufsstellen an Bahnhöfen und Flughäfen auszahlen, sobald sich die wirtschaftliche Lage verbessere. Auf der anderen Seite müsse die Deutsche Bahn ihre Bahnhöfe, als "Visitenkarten einer Stadt", wieder attraktiver machen. Löffler appellierte zudem an die Bahn und den Bund als Eigentümer, weiter in die Eisenbahn-Infrastruktur zu investieren, und damit positive Anreize zu setzen für einen Umstieg von der Straße auf die Schiene. "Gleichzeitig müssen wir ins Handeln kommen, damit unsere Vorstellung von attraktiven Bahnhöfen Wirklichkeit wird", betonte Löffler. Er sei zuversichtlich, "dass die vor uns liegenden Herausforderungen gemeistert werden können".

Andrea Thilo fragte ihn im Anschluss, ob für kleinere Bahnhofsbuchhandlungen mehr Flexibilität möglich sein könnte? Ja, meinte Löffler in Bezug auf Öffnungszeiten und Produkt-Mix, aber: "Wir brauchen Verlässlichkeit, nicht dass jeder aufmacht, wann er will."

"Unverzichtbarer Teil des Bahnhoferlebnisses"

Von Seiten der Bahn referierte im Anschluss Sarah von Nordheim, Leiterin Vertrieb Commercial DB InfraGO AG, über die Pläne für die gewerblichen Nutzflächen der Bahnhöfe. Sie und ihr Team von 300 Personen sind für die 800.000 Quadratmeter bespielte Flächen in deutschen Bahnhöfen zuständig. Auf diesen tummeln sich auch 306 Bahnhofsbuchhandlungen an 272 Standorten. Sarah von Nordheim bekräftigte, dass der Bahnhofsbuchhandel einer "unserer wichtigsten Partner", "ein unverzichtbarer Teil des Bahnhofserlebnisses" sei. Dort werden per Presse und Buch unsere Kultur, Wissen zugänglich gemacht – und Reisenden werde vermittelt, was die Region zu bieten hat. 

Auch sie betont, dass Bahnhöfe zu Orten werden sollen, an denen man gerne verweilt, mit Sicherheit und Sauberkeit. "Sie haben die Produkte, wir sorgen für die Rahmenbedingungen", so von Nordheim. Die Umsetzung auf allen in Frage kommenden Bahnhöfen werde allerdings 20 bis 30 Jahre dauern, so ihre Prognose. Da hieß es, tief Luft holen. Innerhalb des Projekts "Zukunftsbahnhof" sollen unter anderem die insgesamt 650 Bahnhöfe mit Empfangsgebäuden saniert werden, aktuell ist dies bei 120 davon bereits geschehen. Insgesamt gibt es rund 5.400 Bahnhöfe und Verkehrsstationen in Deutschland. Bis 2030 sollen 1.800 davon saniert sein – die entsprechenden finanziellen Rahmenbedingungen vorausgesetzt.

So geht Mobilitätswende: Katja Diehl bei ihrem aufschlussreichen Vortrag

Neben Sinja Schütte kamen auch weitere "Impulsgebende" (Andrea Thilo) zu Wort. Mobilitätsexpertin Katja Diehl, skizzierte die Chancen, die sich durch neue Mobilitätskonzepte für die Lebensqualität der Menschen in Stadt und Land ergeben. Journalist und Digitalexperte Christoph Keese machte gleich klar, dass er, anders wie im Programm formuliert, nicht über Nachrichtenmedien sprechen werde, sondern über Bücher, denn er liebe Bücher (als Beweis warf er ein Foto seines imposanten Bücherregals an die Wand). Seine Überzeugung mit Blick etwa auf generative KI: "Das Buch stirbt nicht aus, aber es wird nicht jeder Inhalt zum Buch". Die Frage laute heute also nicht mehr: "Stirbt das Buch? Sondern sie lautet: Wie hoch ist der Prozentsatz der Kreativität, der als Buch erscheint? Besonders bei den besten Köpfen einer neuen Generation." Bei der Vermittlung wissenschaftlicher Themen etwa habe YouTube mittlerweile einen großen Anteil. Jede neue Technologie verändere die Weise, wie Geschichten erzählt werden, so Keese, der andererseits meint, der Einfluss von KI auf den Buchmarkt werde relativ gering sein. Nicht, weil sie unfähig sei, sondern weil sie jedem zur Verfügung stehe. Die Bestseller der Zukunft kämen weiter von kreativen, einzelnen Menschen.  

In der Erzeugung von Werbebildern und im Filmbereich sieht Keese Gefahren für die Kreativen, auf die Frage von Thilo, ob durch KI ein neues Prekariat entstünde. KI erzeuge neue Sehgewohnheiten. Wenn diese einmal etabliert seien, werde man das Alte nicht mehr mögen. Also: "Kreative müssen das wieder brechen. Man muss die KI für den nächsten Blockbuster schlagen."

Gut gelauntes, auskunftsfreudiges Team am NICI-Stand (v.l.): Die beiden Key Accounter Bernd Brehm und Jan Schildknecht

Nach Häppchen, Getränken und Gesprächen in der Mittagspause, konnten sich die Teilnehmer:innen der VDBB-Jahrestagung am Nachmittag im Vorraum zum Saal auf der kleinen Buchmesse über aktuelle Bücher und Non-Books informieren, Kontakte knüpfen, sich inspirieren lassen – ein "kleines Vorteasern", wie es etwa Gabriele Mertl, Verkaufsleitung Key Account Management bei dtv, formulierte. Neben dtv hatten unter anderem Tische aufgebaut: Hauschka, Forum Independent, Piper, Suhrkamp, Cross Cult, Carlsen, Edition Rauchzeichen, Egmont, Hueber, NICI, Gräfe und Unzer, Bastei Lübbe, Random House, Königsfurth-Urania, Ullstein, S. Fischer, Rowohlt, KiWi, Droemer Knaur, Groh und Athesia.

Für den Bahnhofsbuchhandel sind kleinere Kalenderformate wichtig, weiß Key Accounterin Imke Folkerts (links) von Athesia

Zum Abschluss waren alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom diesjährigen Hauptsponsor dem Nachrichtenmagazin Focus zum traditionellen Gästeabend eingeladen.