E-Book-Festival 2016

Digitale Leseexemplare – Fluch oder Segen?

26. Juni 2016
Redaktion Börsenblatt
Digitale Leseexemplare sparen viel Geld, sind schnell zugestellt, und man kann deren Rezeption tracken. Gute Gründe für jeden Verlag, den Einsatz digitaler Leseexemplare strategisch genau zu planen.

Auf der dritten Electric Bookfair in der hippen Neuköllner Colonia Nova, die diesmal unter dem Motto E-Book-Festival 2016 stattfand, haben sich Deborah Schmidt (Ullstein Buchverlage) und Karina Elm (NetGalley) in einer kurzen Session mit TeilnehmerInnen aus Verlagen, EDV-Dienstleistern und Verbänden sowie AutorInnen über den Einsatz digitaler Leseexmplare ausgetauscht.

Unterschiedliches Nutzungsverhalten in den Zielgruppen

Der Versand digitaler Leseexemplare ist für Buchhandlungen und Bibliotheken, klassische Rezensionsmedien und die Blogosphäre gleichermaßen interessant. Buchhandlungen reagieren nach den Aussagen aller Anwesenden nach wie vor noch erstaunlich zurückhaltend. Hier überwiegt der Wunsch nach Gedrucktem. Dagegen kommen digitale Leseexemplare bei JournalistInnen immer mehr an. Gerade im Sachbuch möchte eine große Mehrheit keine gedruckten Bücher mehr zugeschickt bekommen. (Außer bei Titeln mit ausgeprägten visuellen und haptischen Elementen.) Das Bild bei den Bibliotheken ist noch ziemlich uneinheitlich. In der Blogosphäre ist der Wunsch nach digitalen Leseexemplaren erwartungsgemäß besonders stark ausgeprägt.

Für alle Zielgruppen gilt, dass einige RezensentInnen nach dem digitalen Leseexemplar auch die gedruckte Ausgabe erhalten möchten. Diesem Wunsch kommen jedenfalls die anwesenden Verlage in der Regel auch nach.

Technische Aspekte

Die Verlage berichten, dass bei nicht wenigen RezensentInnen und im Buchhandel immer noch technische Hemmschwellen vorhanden sind. Dies betrifft sowohl das Fehlen (oder die Ablehnung der Nutzung) entsprechender Lesegeräte als auch das Unvertrautsein mit den Downloadfunktionen. Allerdings werden diese Hemmschwellen langsam geringer.

Die meisten, aber nicht alle Verlage verzichten inzwischen auf ein hartes DRM und nutzen digitale Wasserzeichen. Einige geben jeglichen Kopierschutz auf.

Kosten sparen und Reichweite erhöhen

Mittlere und große Publikumsverlage wenden mitunter hohe fünfstellige Summen für die Produktion und den Versand gedruckter Leseexemplare auf. Die Reichweite des Versands stößt hier aus kalkulatorischen Gründen irgendwann an ihre Grenze. Diese Kosten können in vielen Fällen durch den Einsatz digitaler Lösungen erheblich reduziert werden, und die Reichweite spielt bei digitalen Leseexemplaren naturgemäß keine Rolle mehr. Dies gilt selbstverständlich auch für den Versand digitaler Leseproben, der hauptsächlich an den Endkunden erfolgt.

NetGalley – Eine Plattform für digitale Leseexemplare

Eine verlagsübergreifende Plattform für digitale Leseexemplare wurde mit NetGalley 2008 in den USA gegründet und steht jetzt auch in Deutschland zur Verfügung. Dort können Verlage gegen eine Gebühr ihre digitalen Leseexemplare den professionellen Nutzern der Plattform zur Verfügung stellen und weitere Services anbieten bzw. in Anspruch nehmen. Dazu gehört auch das Tracking einzelner Nutzungsfunktionen. (Die Mitgründerin der Veranstaltung, Nikola Richter, wies darauf hin, dass Verlage, die digitale Leseexemplare über einen Wordpress-Blog anbieten, dafür die Pingback-Funktion nutzen können.) Für die Nutzer der Plattform, also die oben schon genannten Zielgruppen, ist NetGalley kostenlos.

Die leider nur fünfzigminütige Session von Karina Elm und Deborah Schmidt konnte das komplexe Thema der digitalen Leseexemplare und Leseproben lediglich anreißen. Weil in der Veranstaltung deutlich wurde, dass dieses Thema für alle Verlage Sparpotential und eine effektivere Nutzung vorhandener Resourcen vor allem in Bezug auf die Kommunikation von Neuerscheinungen beinhaltet, wurde mit den Referentinnen ein etwa zweistündiger Workshop auf der future!publish am 26. oder 27. Januar 2017 in Berlin verabredet.