Verleihung des Deutschen Kinderhörbuchpreises BEO

Rauchige Stimmen, Seufzer und Silbendreher

26. November 2015
von Börsenblatt
Vorhang auf für das Hörbuch, hieß es gestern in Hamburg. Auf der Bühne des Thalia Theaters Gaußstraße wurden herausragende Hörbuchproduktionen mit dem BEO ausgezeichnet, dem Deutschen Kinderhörbuchpreis.

Dabei hatte das Moderatoren-Duo mit gewissen Startschwierigkeiten zu kämpfen: "Ganz schön verschnarcht", war der erste Eindruck, den Alicia Aumüller und Hans Löw gut hörbar vermittelten. "Warum schlafe ich eigentlich immer ein, wenn ich ein Hörbuch höre?", fragten sich die beiden Schauspieler aus dem Ensemble des Thalia Theaters, um ganz überstürzt gerade noch rechtzeitig zu Beginn der Veranstaltung aus dem Bett zu kommen – so die augenzwinkernde Idee von Ludwig von Otting, der als ehemaliger kaufmännischer Geschäftsführer des Hauses die Regie führte. Ein Problem, das die Jury hoffentlich nicht hatte, als sie für den BEO 2015 ungezählte Stunden Hörabenteuer erlebte.

"Bei unseren Treffen überzeugen wir uns gegenseitig mit unseren Argumenten, bis wir uns auf etwas einigen können. Meistens prescht der Christian vor: 'Ich will das oder das'", plauderte Volker Bernius, Sprecher der neunköpfigen Fachjury und Redakteur beim Hessischen Rundfunk, aus dem Nähkästchen. Was zählt, ist letztendlich das Ergebnis, das in den drei Alterskategorien und in der Sparte Sonderpreis für bestes Sound Design präsentiert wurde. Begleitet von modernem Gipsy-Jazz des Trios Manugadjo Royal und dem Künstler Stefan Pertschi, der Gehörtes in großformatige Live-Zeichnungen übersetzte.

Kommissar Gordon, Yark und Dylan Mint

"Manchmal stimmt einfach alles", befand die Jury für "Kommissar Gordon. Der erste Fall" (von Ulf Nilsson, headroom) und zeichnete in der Kategorie 0−6 Jahre die drei Sprecher für ihre Interpretationskunst aus. "Ulrich Noethen nimmt sich als Erzähler alle Zeit der Welt, etabliert akustisch die Winterwald-Atmosphäre, lässt mit genießerischer Genauigkeit Seufzer und Silbendreher auf der Zunge zergehen. Udo Kroschwald als Kommissar grummelt warmstimmig und Lotta Doll gibt die blitzschnelle Assistentin, Maus Buffy, in allen Stimm(ungs)-Höhen und -Tiefen", so die Begründung.

In der Kategorie 7−11 Jahre überzeugte Mechthild Großmann mit ihrer beeindruckend rauchigen Stimme, die sie dem von Edmund Jacoby aus dem Englischen übersetzten "Yark" (von Bertrand Santini, sauerländer audio) für sein kinderknochenbrechendes Tun geliehen hatte – und "gegen die Harry Rowohlt wie ein Countertenor klingt", so Moderator Hans Löw. Eine wunderbare Kostprobe übermittelte Großmann per Videobotschaft, da sie anders als Martin Baltscheit nicht in Hamburg dabei sein konnte.

Baltscheid gab live vor Ort mit ganzem Körpereinsatz einen atemberaubenden Eindruck dessen, was die Jury dazu veranlasst hatte, ihn in der Kategorie ab 12 Jahre auszuzeichnen: Einen sechsstündigen "verbalen Amoklauf" durch Brian Conaghans "Jetzt spricht Dylan Mint und Mr Dog hält die Klappe" (Oetinger Audio). "Wann war je so mutig ein derart punktgenaues Stottern zu hören? Wann je ein derart ausdifferenziertes Ringen um ein eigenes Sprechen jenseits der kaum kontrollierbaren Tourette-Pirouetten?", so die Jury.

Sonderpreis an drei Soundtüftler

Den Sonderpreis in der Kategorie Bestes Sound Design verlieh sie Henning Schmitz, Martin Zylka und Gerrit Booms für ihre akustische Inszenierung von "Die Schule der Weihnachtsmänner" (von Karlheinz Koingg, der Hörverlag). Die Klangwelten dienen dem Hörspiel wie eine gute Filmmusik: unauffällig und wirksam entstehen atmosphärische Bilder und Räume rund um die rotbemützten Bartträger.

Kinderjury wählte den "Bärenschwur"

Eine Sonderstellung hat der Preis der Kinderjury, in diesem Jahr vertreten durch Viertklässler der Kronach-Schule in Berlin-Lichterfelde. Aus der Longlist der Hörbuchtitel für die Sieben- bis Elfjährigen machte bei den Kindern der "Bärenschwur" von Ryan Gebhart (Silberfisch) das Rennen – "weil der Sprecher (Sebastian Rudolph) offensichtlich viel Spaß beim Lesen hatte." Das hat sich augenscheinlich auf die Schülerinnen und Schüler übertragen, die im Rahmen ihrer Juryarbeit ihre Favoriten unter anderem  schauspielerisch umgesetzt hatten, wie der Film zeigte, den die beiden Lehrerinnen nach Hamburg mitgebracht hatten.

Die bildungspolitische Bedeutung von Hörbüchern hob Inga Wellmann vom Referat Kunst und Kreativwirtschaft der Stadt Hamburg in ihrer Rede hervor: "Gut erzählte Geschichten helfen, das Empathievermögen zu entwickeln. Das ist in unserer heutigen Zeit besonders wichtig", meinte Wellmann, auf die vom Theaterhimmel Gold- und Silberflitter regnete – verbunden mit dem Wunsch der Hörbuchmacher, dass die Behörden der Hansestadt den BEO auch zukünftig unterstützen mögen.

Zum Preis

Der Deutsche Kinderhörbuchpreis BEO unter der Schirmherrschaft von Felicitas von Lovenberg ist eine Initiative von Kinder hören e.V. und wird durch den Arbeitskreis Hörbuch des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels organi­satorisch unterstützt. Er wurde 2015 zum dritten Mal vergeben.

Die Preisträger erhalten je 5.000 Euro, der Sonderpreis und der Preis der Kinderjury sind mit je 3.000 Euro dotiert.

Der Fachjury des BEO 2015 gehörten an: Christian Bärmann (Journalist, BÜCHER, Hannover), Volker Bernius (hr2-Bildung und Kultur/Stiftung Zuhören, Frankfurt a.M.), Georg Cadeggianini (Journalist/Autor, München), Ines Dettmann (Junges Literaturhaus, Köln), Heide Germann (Rezensentin, Darm­stadt), Christine Knödler (Journalistin, ELTERN family, München), Lothar Sand (Börsenverein, Frankfurt a.M.), Ilona Schulz (Schauspielerin/Sprecherin, Berlin) und Barbara Stoll (Buchhändlerin, LüneBuch in Lüneburg).