Besagte Titel sind Angie Thomas‘ Roman "The Hate U Give" (auf Deutsch im Herbst 2017 bei cbj erschienen und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert) und der Roman "Nichts ist okay! – Zwei Seiten einer Geschichte" von Jason Reynolds und Brendan Kiely (auf Deutsch erschienen im April 2018 bei dtv). Beide Romane setzen sich mit der Polizeigewalt gegen Schwarze auseinander: Thomas erzählt die Geschichte von einem 16-jährigen schwarzen Mädchen, das mitansehen muss, wie ihr bester Freund Khalil von einem Polizisten erschossen wird. Kiely und Reynolds schreiben aus zwei Perspektiven – der des Opfers und eines Zeugen – wie ein schwarzer Junge scheinbar grundlos von einem Polizisten verprügelt wird.
Dass gleich zwei der acht Buchtitel umfassenden Liste für die Sommerlektüre sich mit dem Thema Polizeigewalt beschäftigen, sorgte für Aufregung beim Polizistenverband "Fraternal Order of Police". Der Präsident einer Bezirksgruppe des Verbands, John Blackmon, sieht die Präsenz der beiden Bücher auf der Leseliste der Wando High School in South Carolina als Versuch einer Indoktrination mit dem Ziel, der Polizei zu misstrauen. Dem müsse Einhalt geboten werden, sagte er im Sender News2. Die Lektüre der Romane sei außerdem nicht notwendig, da die Schüler im High School-Alter doch noch kaum mit der Polizei konfrontiert würden. Schließlich seien andere soziale und ökonomische Themen wichtiger, da müsse man doch nicht den Fokus negativ auf die Polizei richten, so John Blackmon in News2.
Laut "The Guardian" erklärte die Schulleiterin, dass nach Blackmons eingereichter Beschwerde die Schule die in ihren Richtlinien beschriebenen Verfahren einen Ausschuss die Bücher überprüft und die Ansichten von Blackmon sowie der die Bücher empfehlenden Lehrer hört. Nach dem Ausschussbericht muss die Schulleiterin dann eine Entscheidung treffen, ob die vom Polizeiverband beanstandeten Bücher aus der Leseliste entfernt werden oder nicht.
Proteste von Buchhändlern und Autoren gegen die Einmischung der Polizei
Die Schriftstellervereinigung Authors Guild warf dem Polizistenverband versuchte Zensur vor und forderte in einem Schreiben, sich aus den Angelegenheiten der High School herauszuhalten. Authors Guild-Generaldirektorin Mary Rasenberger verglich die Einmischungen mit Zuständen in einem Polizeistaat und sagte, dass dies in einer Demokratie nicht toleriert werden dürfe. Die Schule müsse selbst entscheiden dürfen, welche Bücher von den Schülern gelesen werden.
Auch das Children and YA Books Committee des PEN America, die American Booksellers For Free Expression und andere Verbände haben protestiert. Sie sprachen sich in einem Brief an die Schulleiterin der Wando High School gegen das Einschreiten des Polizistenverbandes aus und baten die Schulleiterin, sich nicht von der Polizei einschüchtern zu lassen: "Die Schüler sollten vielmehr weiterhin ermutigt werden, durch ihre Lektüre verschiedene Standpunkte kennenzulernen, damit sie an kritischen Diskussionen zu verschiedenen sozialen Themen teilnehmen können." Und der auch hierzulande sehr populäre Schriftsteller Neil Gaiman meint: "Ich glaube nicht, dass das Beurteilen von Büchern ein rechtmäßiger Teil der Polizeiarbeit ist."