Umfrage zum Jahreswechsel (8): Thedel von Wallmoden

"Verlage müssen sich nicht verstecken"

22. Dezember 2017
von Börsenblatt
2018 steht vor der Tür. Bis Silvester fragt boersenblatt.net Branchenpersönlichkeiten, was sie planen und wo sie die Pain Points fürs kommende Jahr vermuten. Heute: Thedel von Wallmoden, Verleger des Göttinger Wallstein Verlags.

Im März schließen Sie die Christine-Lavant-Werkausgabe ab. Sind Sie mit der Resonanz zufrieden? Planen Sie bereits eine neue Werkausgabe?
Zum 100. Geburtstag 2015 hat das Werk dieser außergewöhnlichen Dichterin enorme Aufmerksamkeit erfahren. Der erste Band unserer vierbändigen Ausgabe mit den zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichten kam sehr schnell in die zweite und schließlich sogar in die dritte Auflage. Die Literaturkritik hat den Band mit den Gedichten aus dem Nachlass (2017) als Sensation gefeiert. Jetzt schließen wir die Ausgabe mit den Erzählungen aus dem Nachlass ab. Mit der Resonanz können wir sehr zufrieden sein, zumal es heute nicht einfach ist, mit mehrbändigen Ausgaben Erfolge zu erzielen. In jedem Wallstein-Programm gibt es Editionen: Jetzt freuen wir uns auf den Ehebriefwechsel von Frank und Tilly Wedekind.

Was stehen sonst für große Projekte in 2018 an?
'Wie kommt der Krieg ins Kind' von Susanne Fritz ist die Spurensuche einer Familie mit deutsch-polnischer Vergangenheit. Von dieser großartigen literarischen Form der Geschichtserzählung verspreche ich mir im Frühjahr 2018 sehr viel. Die Essays von Lukas Bärfuss 'Krieg und Liebe' sind, wie immer bei diesem Autor, grundsätzlich im Anliegen und brillant in der Argumentation. Genau das, was wir in diesen konfusen Zeiten lesen wollen!

Die Konstanz University Press wechselt ja zu Wallstein. Was wird sich dadurch ändern?
Seit 2010 erscheint in der Konstanz University Press ein anspruchsvolles interdisziplinäres geisteswissenschaftliches Programm, das perfekt zu Wallstein passt. Bernd Stiegler als Programmleiter und Alexander Schmitz als Lektor sind leidenschaftliche Büchermacher, die Themen setzen und Bücher ins Gespräch bringen wollen. Die Bücher werden weiter unter der Marke KUP erscheinen. Das bedeutet für beide Seiten zusätzliche Profilierung und Sichtbarkeit.

Was sind Ihre Pain Points?
Die Verlage sind in letzter Zeit durch die Diskussionen um das Urheberrecht zunehmend in die Defensive geraten. Ich finde das unangemessen und wünsche mir, dass wir mit größerem Selbstbewusstsein herausstellen, was Verlage zu den großen gesellschaftlichen Themen und zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen. Da müssen wir uns nicht verstecken.

Sie sammeln antiquarische Bücher. Ihre schönste Erwerbung in letzter Zeit?
Ich habe mich gefreut, die Erstausgabe des Bandes 'Fleisch' (1917) von Gottfried Benn zu finden, als ich gerade die Briefausgabe 'Absinth schlürft man mit Strohhalm, Lyrik mit dem Rotstift', hrsg. von Holger Hof, lektorierte. Meine Bibliothek ist mehr eine Arbeits- als eine Sammlerbibliothek und enthält circa 18.000 Bände.

Lassen Sie sich durch antiquarische Fundstücke für Ihr Verlagsprogramm inspirieren?
Es ist eher andersherum. Wenn der Verlag an einer Werkausgabe arbeitet, interessieren mich Form und Gestalt der Erstveröffentlichungen. Aus der Materialität der Bücher, aus Typographie und Ausstattung lernt man viel über Texte.