Türkische Polizei stürmt Belge-Verlag

Christoph Links: "Überfall auf unseren Partnerverlag"

16. Mai 2017
Redaktion Börsenblatt
Beim Belge Verlag in Istanbul, Lizenzpartner des Christoph Links Verlags, wurde am 7. Mai durch die türkische Polizei eine Razzia durchgeführt − mehr als 2.000 Bücher wurden dabei beschlagnahmt. Verleger Christoph Links erklärt in einem Schreiben seine Solidarität mit dem Verlag. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, sagte dem türkischen Verlag ebenfalls seine Unterstützung zu und rief die Politik dazu auf zu handeln.

Christoph Links betitelt seine Solidaritätserklärung mit verfolgten Kollegen in der Türkei mit "Überfall auf unseren Partnerverlag in Istanbul". Wir geben seine Erklärung hier im Wortlaut wieder:

"In der vergangenen Woche ist in Istanbul der Belge-Verlag von der Polizei gestürmt und durchsucht worden. Mehrere Mitarbeiter wurden vorübergehend verhaftet. Mehr als 2.000 Exemplare verschiedener Bücher sind beschlagnahmt worden. Juristische Strafen sollen folgen. 29 Buchverlage sind in der Türkei im letzten Jahr bereits verboten worden.

Der vor 40 Jahren gegründete Belge-Verlag ist auf historische Sachbücher spezialisiert und hat in der Vergangenheit immer wieder politische Tabus gebrochen. Er veröffentlichte Werke über die Gräueltaten der Militärs in kurdischen Dörfern in den 1990er Jahren, über die Vertreibung der Pontos-Griechen von der anatolischen Schwarzmeerküste und über den Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges. Im Moment bereitet er gerade die türkische Ausgabe des Buches von Jürgen Gottschlich 'Beihilfe zum Völkermord' vor, in dem es um Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich geht. Auf der Buchmesse in Istanbul im vergangenen November konnte der Übersetzungsvertrag dazu geschlossen werden.

Wir protestieren gegen die Verfolgung kritischer Verleger in der Türkei und erklären unsere Solidarität mit dem Belge-Verlag und allen engagierten Kollegen, die sich der Meinungsfreiheit verpflichtet fühlen."

Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, erklärte: "Wir sind erschüttert, dass Verlage in der Türkei weiter so unverfroren verfolgt und schikaniert werden. Wegen fadenscheiniger Gründe wurden hier Bücher eines unbequemen Verlags konfisziert – das ist ein Skandal. 29 Verlage in der Türkei wurden bereits geschlossen, der Furor gegen Andersdenkende und unabhängige Medien in der Türkei geht weiter. Die Politik darf hier nicht länger zusehen und muss handeln. Wir stehen in Kontakt mit dem Belge Verlag und haben dem Verleger und seinen Mitarbeitern unsere Solidarität und Unterstützung zugesichert."

Hintergrund

Der Belge Verlag wurde am Sonntag, den 7. Mai durch die türkische Polizei ohne Ankündigung durchsucht. In der "Süddeutschen Zeitung" ist gestern ein ausführlicher Bericht dazu erschienen ("Bücherverbannung"), in dem auch der Verleger Ragιp Zarakolu zu Wort kommt, der mittlerweile im schwedischen Exil lebt. Der Autor Yavuz Baydar (ebenfalls derzeit außerhalb der Türkei) führt etwa an, dass der Belge Verlag sich seit den 90er Jahren auch an ein Tabuthema gewagt habe, den Genozid an den Armeniern. Hier habe Belge Pionierarbeit geleistet.