Mit Blick auf die jüngsten Fluchtbewegungen nehme die Zahl der neu ankommenden Kinder und Jugendlichen schnell zu, nahezu jeder Dritte, der im Januar 2016 einen Asylantrag gestellt habe, sei unter 18 Jahre alt, konstatiert der vom Börsenverein, von der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) und dem Arbeitskreis für Jugendliteratur (AKJ) erstellte Trendbericht. Die Herausforderung für die kommenden Jahre wird sein, diese Jungen und Mädchen zu integrieren: "Bücher sind Integrationsbeschleuniger. Sie transportieren Gedanken und Geschichten und können Türen für fremde Kulturen öffnen", sagte Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller. Indem sie andere Lebenswelten und Lebensläufe beschrieben, verbänden Bücher und schärften den Blick für den Anderen. "Buchhandlungen bieten Foren und Räume, in denen Kinder und Jugendliche andere Welten entdecken können", so Riethmüller weiter. "Verlage und Buchhandlungen übernehmen daher eine wichtige Rolle nicht nur bei der Leseförderung, sondern auch bei der Vermittlung von interkulturellen Fähigkeiten."
Kosmopolitische Literatur
Der deutsche Kinder- und Jugendbuchmarkt böte dafür bereits heute ideale Voraussetzungen, denn rund ein Viertel der jährlichen Neuerscheinungen seien Übersetzungen aus anderen Sprachen, merkte Susanne Helene Becker an, die Vorsitzende des Arbeitskreises für Jugendliteratur. "Kinder und Jugendliche profitieren vom literarischen Kosmopolitismus in Deutschland." Indem ihnen die ganze Bandbreite der internationalen und nationalen Literatur zur Verfügung stehe, machten sie Erfahrungen mit unterschiedlichen Weltentwürfen und Erzählweisen: "Sie erfahren auch, dass die Welten vor unseren Haustüren von großen sozialen und kulturellen Unterschieden geprägt sind."
Flucht und Integration als Themen in Verlagsprogrammen
Durch die wachsende Zahl an Zuwanderern sind auch neue Anforderungen auf die Verlage zugekommen, wie ein Blick in die Programme bereits bestätigt. Allein 60 Titel der aktuellen und bereits gemeldeten Neuerscheinungen im Bereich Kinder- und Jugendbuch beschäftigen sich explizit mit den Themen Flucht, Toleranz und Integration. Derzeit gehe es "den Verlagen vornehmlich darum, Kindern und Jugendlichen die Situation der Flüchtlinge und Migranten so vielschichtig wie möglich darzustellen", sagt Renate Reichstein, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen avj. "Nur wer gut informiert ist, kann Empathie und Verständnis aufbringen. In einem zweiten Schritt wird es darum gehen, auch mittels Büchern den jungen Zuwanderern unsere Kultur und Werte zu vermitteln."
Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse
Am 18. März um 10.30 Uhr widmen der Börsenverein, die avj und der AKJ dem Thema eine von Börsenblatt-Chefredaktuer Torsten Casimir moderierte Podiumsdiskussion: "Sich die Welt erlesen! Warum Bücher verbinden und interkulturelles Leben fördern". Teilnehmerinnen sind Anna Xiulan Zeeck (Leiterin Desina Verlag, Oldenburg), Andrea Karimé (Autorin, Köln) und Mariela Nagle (Buchhandlung mundo azul, Berlin), Veranstaltungsort auf der Leipziger Buchmesse ist das Forum Kinder-Jugend-Bildung in Halle 2 (Stand A501 / B502).